Bayerischer Filmpreis: Ministerpräsident Söder und Digitalministerin Gerlach überreichen Auszeichnungen
Roter Teppich, große Emotionen, hervorragende Künstler – im Rahmen einer feierlichen Gala im Münchner Prinzregententheater wurde der Bayerische Filmpreis verliehen. Dr. Markus Söder überreichte den Preis des Bayerischen Ministerpräsidenten an Filmemacher Michael Bully Herbig. Bayerns Film- und Digitalministerin Judith Gerlach verlieh den Filmpreis in der Kategorie „Family Entertainment“ an die Schwestern Alexandra und Meike Kordes für den Film „Die Schule der magischen Tiere 2“. Das Bayerische Staatsministerium für Digitales ist für die Ausrichtung des Filmpreises zuständig und unterstützt maßgeblich die bayerische Filmförderung durch den FilmFernsehFonds Bayern. Die Preise für die beste Darstellerin und den besten Darsteller gingen an Anna Maria Mühe und Florian David Fitz. Den Preis für die beste Regie erhielt Frauke Finsterwalder für ihren Film „Sisi & Ich“.
Staatsministerin Gerlach erklärte: „Von nachdenklich bis urkomisch – die Preisträgerinnen und Preisträger des Bayerischen Filmpreises zeigen die unglaubliche Bandbreite des deutschen und bayerischen Films. Was hier im letzten Jahr entstanden ist, ist einfach großartig. Das wollen wir mit der feierlichen Verleihung des Bayerischen Filmpreises würdigen. Das ist Filmkunst auf Topniveau!“
Der Bayerische Filmpreis wurde in 11 Kategorien vergeben und ist mit insgesamt 300.000 Euro dotiert. Neben dem Preis des Ministerpräsidenten wurde der Bayerische Filmpreis verliehen für den besten Film, die beste Regie, die beste Darstellerin und den besten Darsteller, das beste Drehbuch, die beste Nachwuchs-Regie, sowie in den Kategorien Family Entertainment, Nachwuchs-Schauspiel, Nachwuchs-Drehbuch, Dokumentarfilm und Bildgestaltung. Die Preisträgerinnen und Preisträger wurden von einer zehnköpfigen Fachjury ausgewählt.
Begründung zum Preis des Ministerpräsidenten an Michael Bully Herbig
„Darsteller, Autor, Regisseur und Produzent – der in München geborene Michael Bully Herbig ist so erfolgreich wie kaum ein anderer deutscher Filmregisseur.
Nach seinen Anfängen als Radiomoderator wurde Herbig gemeinsam mit seinen kongenialen Partnern Rick Kavanian und Christian Tramitz durch die Fernseh-Show ‚Bullyparade‘ zum Publikumsliebling. Die Kultfilme ‚Der Schuh des Manitu‘ (2001) und ‚(T)Raumschiff Surprise – Periode 1‘ (2004) setzten neue Maßstäbe für deutsche Unterhaltungsfilme. Als Regisseur widmet sich Herbig mittlerweile mit Projekten wie ‚Ballon‘ (2018) und ‚Tausend Zeilen‘ (2022) auch ernsten und zeitgeschichtlichen Stoffen.
Als großartiger Sprecher belebt er immer wieder eindrucksvoll Charaktere in Animationsfilmen. Und als Schauspieler glänzt er in deutschen und internationalen Produktionen unter der Regie von Größen wie Leander Haußmann, Helmut Dietl und Wolfgang Petersen.
Zur bayerischen Kultfigur wurde Michael Bully Herbig endgültig mit der Rolle des ‚Boandlkramer‘, den er zweimal in Filmen seines verehrten Kollegen Joseph Vilsmaier verkörpert hat (in ‚Die Geschichte vom Brandner Kaspar‘, 2008, und ‚Der Boandlkramer und die ewige Liebe‘, 2021).“
Nachfolgend die Namen der weiteren Preisträgerinnen und Preisträger und die Begründungen der Jury:
Der Preis für den besten Film (dotiert mit 200.000 Euro) erhält die Bombero International GmbH & Co. KG für den Film „Rheingold“.
Begründung der Jury:
„Mitten hinein in eine Community, die Teil unserer Gesellschaft ist und doch auf der großen Leinwand unterrepräsentiert, führt uns ‚Rheingold‘. Autor, Regisseur und Produzent Fatih Akin nimmt uns mit in eine Familienerzählung, die zugleich große Geschichte verhandelt. Er spannt einen Bogen von der Islamischen Revolution im Iran bis zur Gegenwart am Rhein. Er berichtet von Flucht und Folter und einem neuen Leben in Westeuropa, das der Familie Hajabi zwar ein besseres Lebensumfeld bietet, sie aber nicht aus ihrer Vergangenheit entlässt. Direkt, ambivalent und dadurch menschlich erleben wir den Protagonisten Xatar als jemanden, der willensstark, humorvoll und manchmal auch verzweifelt, aber immer optimistisch, seinen Weg sucht.
Der Film zeichnet schonungslos alle Facetten eines Milieus und führt durch die virtuose Integration von scheinbar Widersprüchlichem zu einem scharfsinnigen Blick: Etablierte Klassik und existenzieller Rap, moralische Werte und brutale Subkultur, Aggression und Zärtlichkeit, Trennung und Freundschaft, Mythos und Realität stehen hier dicht nebeneinander. Die Authentizität der Figuren wirkt niemals konstruiert und schenkt eine emotionale Bandbreite, die uns fesselt.
Differenzierte Persönlichkeitsdarstellungen werden Stereotypen entgegengesetzt, und genau das bewegt uns, mitzufühlen und den soziokulturellen Hintergrund intensiv wahrzunehmen. Ein großartiger Cast um Emilio Sakraya, sensible Schauspielführung, präzise Bildgestaltung, feinsinniger Schnitt und die Musik als eigene Protagonistin harmonieren auf einzigartige Weise. Die ausgereifte und zugleich klare Bildsprache spricht auch ein junges Publikum zielsicher an. Komödie, Drama, Action, Roadmovie, Biopic, Gangsterfilm – Elemente all dieser Genres verweben sich zu einer mitreißenden und immer wieder auch überraschenden Geschichte, wie wir sie heute brauchen.
Existenzieller Inhalt und handwerkliche Höchstleistung machen ‚Rheingold‘ zu einem cineastischen Erlebnis. Die Produzenten Nurhan Şekerci-Porst, Fatih Akin und Herman Weigel haben einen Film geschaffen, den das Publikum auf der großen Leinwand sehen will. Dieser Film ist relevant, öffnet Augen und Ohren und unterhält uns dabei glänzend.“
Den Preis in der Kategorie Family Entertainment (dotiert mit 10.000 Euro) geht an Alexandra Kordes und Meike Kordes (Kordes & Kordes Film GmbH) für den Film „Die Schule der magischen Tiere 2“.
Begründung der Jury:
„Die Wintersteinschule ist in Aufruhr! Es steht nicht nur das Musical zum Schuljubiläum an, sondern plötzlich tauchen auch noch mysteriöse Löcher auf dem Schulhof auf. Wer das wohl macht? Für die Schülerinnen und Schüler der Wintersteinschule ist klar: Dem müssen sie auf den Grund gehen. Gut, dass sie mit Pinguin Juri und Chamäleon Caspar, den neuen magischen Tieren, tatkräftige Unterstützung haben. Nach dem großen Erfolg des ersten Teils der Geschichte rund um die magische Schule wurde der zweite Teil mit Spannung herbeigefiebert – und übertraf sogar die bereits hohen Erwartungen des Publikums. Damit wurde er noch erfolgreicher als der Vorgänger und so sogar zum meistgesehenen deutschen Film des Jahres 2022. Vollkommen zurecht, so die Jury.
Im zweiten Teil konnte man nicht nur das hohe Niveau des Vorgängers halten, sondern sich sogar in manchen Punkten steigern. So ist die Animation der magischen Tiere und ihre komplexe Verschränkung zu realen Filmszenen noch überzeugender und hochwertiger gelungen und fügt sich noch nahtloser in die fesselnde Geschichte um Ida und ihre menschlichen und tierischen Gefährtinnen und Gefährten ein. ‚Die Schule der Magischen Tiere 2‘ ist eine überzeugende Leistung aller Gewerke bis hin zum Soundtrack. Es ist ein herzerwärmender Film mit Witz, Spannung und Tiefsinn für Klein und Groß. Alexandra und Meike Kordes haben hier mit feinem Gespür und dank ‚prophetischer‘ Einschätzung hinsichtlich der Qualität der Buchvorlagen und des Erwerbs der Buchrechte mit sehr hohem Aufwand Family Entertainment auf Spitzenniveau umgesetzt.“
Den Preis für die beste Darstellerin (dotiert mit 10.000 Euro) erhält Anna Maria Mühe für ihre Arbeit in dem Film „Die Geschichte einer Familie“.
Begründung der Jury:
„‘Home is where it hurts‘, heißt es in einem Song von Camille. Und ganz in diesem Sinne ist ‚Die Geschichte einer Familie‘ eine eindrucksvolle Heimkehrgeschichte unter dramatischen Vorzeichen, ein Vater-Tochter-Drama von höchster Intensität und vor allem: eine Glanzrolle für die Hauptdarstellerin Anna Maria Mühe. An der Seite ihres Vaters, ebenfalls herausragend gespielt von Michael Wittenborn, durchlebt die seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselte Stuntfahrerin Chrissi eine emotionale Reise zwischen Schmerz und Verdrängung, Ablehnung und Versöhnung.
Anna Maria Mühe nimmt uns in beeindruckender Intensität und mit einer Leinwandpräsenz, die lange nachwirkt, mit auf diese Reise. Sie unterlegt alle Emotionen mit einem Fundament menschlicher Wärme, die sich langsam, aber stetig ihren Weg an die Oberfläche bahnt. Geschickt versteht sie es, die Figur in tiefen Schichten anzulegen, die immer nur so viel preisgeben, wie es die langsame ‚Entblätterung‘ dieser geheimnisvollen Familien-Geschichte zulässt.“
Der Preis für den besten Darsteller geht mit 10.000 Euro an Florian David Fitz für seine Rollen in „Wochenendrebellen“ und „Oskars Kleid“.
Begründung der Jury:
„Wenn wir an erfolgreiche Schauspieler denken, fällt uns sein Name ein! Wenn wir an erfolgreiche Schauspieler in erfolgreichen deutschen Kinofilmen denken, fällt erst recht sein Name: Florian David Fitz! Dieses Multitalent spielt die Kinokrise einfach weg! Ob in Filmen, selbst geschrieben und inszeniert oder als Star in aufwendigen Produktionen: Auf ihn ist Verlass! Wo er mitwirkt, prägt er die Filme auf eine unverwechselbare persönliche, ja geradezu Vertrauen erweckende Weise. Mit Florian David Fitz, das spüren wir sofort, wird alles nicht ganz so furchtbar, wie es anfangs vielleicht scheinen mag.
Als überforderter Polizist Ben im Film ‚Oskars Kleid‘, der nicht wahrhaben kann, dass sein Kind, einst genannt ‚Oskar‘, sich nun als Mädchen identifiziert und Lili genannt werden möchte, spielt Fitz den Vater mit allen Stereotypen: nervig dominant, homophob und intolerant. Fitz zieht hier alle Register eines Unsympathen, um das wichtige, aber sensible Thema Transidentität auch für ein breites Kinopublikum unterhaltsam anzubieten.
Fast wie eine Ergänzung dazu wirkt Florian David Fitz` Vaterrolle in Marc Rothemunds neuem Film ‚Wochenendrebellen‘. Diesmal kümmert sich Papa Marc zwar etwas mehr um den Nachwuchs, allerdings stellt ihn sein Sohn Jason vor viele Proben, denn als Autist sucht er sich gerade einen Lieblings-Fußballclub. Und er sucht nicht nur in der Bundesliga…
Florian David Fitz wirkt in beiden Rollen wie ein Energie-Booster für sich, das Ensemble und uns. Die Spannungsbögen der Geschichten werden durch seine Figuren bestimmt, und wir folgen ihnen wie in einem Sog. Ob nervig, überfordert oder mega-sympathisch: Es ist seine Kunst, seine Rollen so anzulegen, dass es einfach Spaß macht, ihm auf der großen Leinwand zuzuschauen. Er mag ‚seine Typen‘ Ben und Marc, die eben nicht aus ihrer Haut und ihren gesellschaftlichen Rollen können, und er zeigt uns durch sein offenes und klares Spiel, wo ihre Probleme liegen. Er macht uns zu seinen Komplizen und zu seiner filmischen Reisebegleitung. Wir sehen, wie Ben und Marc in kleinen Schritten dazulernen und so wachsen wir gemeinsam: Fitz‘ Figuren und an ihrer Hand wir – das Publikum. Am Ende fühlen wir uns selbst geläutert und gehen beflügelt aus dem Kinosaal. Wie er das schafft, bleibt sein Geheimnis.“
Der Preis für die beste Regie geht mit 10.000 Euro an Frauke Finsterwalder für ihren Film „Sisi & Ich“.
Begründung der Jury:
„Über Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt Sisi, ist filmisch eigentlich alles erzählt: Vom größtmöglichen Kitsch bis zum ergreifenden Melodram hat sich die Filmwelt an diesem historischen Superstar abgearbeitet. Umso schöner für uns als Jury, dass uns die Filmemacherin Frauke Finsterwalder mit ihrer ganz eigenen, bisweilen sogar skurril und aberwitzig anmuteten fiktionalen Vision von Sisi (Susanne Wolff) überrascht. Vor allem ihre Hofdame Gräfin Irma von Sztáray (Sandra Hüller) an der Seite der machtvollen Kaiserin liefert uns ein vergnügliches, tiefsinniges und überraschendes Kinoerlebnis, in dem es auch mal derb und direkt zugehen darf.
Eine moderne, zeitgemäße Sprache prägt das Drehbuch (auch Frauke Finsterwalder gemeinsam mit Christian Kracht) und bietet die Basis für diese im schönsten Sinn detailverliebte und phantasievolle Reise durch Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse.
Zwar wird nach historischen Motiven, aber dabei erfrischend frei und unkonventionell erzählt. Vor allem die Inszenierung und Choreografie der einzelnen Figuren in ihren Szenen bis hin zur Montage der Bilder, überhaupt die Kamera, aber auch die Kostüme, Szenenbild, Requisiten, Auswahl der Musik u.v.m. begeistern. Wunderbare Schauspielerinnen (überwiegend sind es Frauen) und Gewerke flirten abwechselnd mit uns Zuschauern und reißen uns emotional in Abgründe, schicken uns aber auch wieder zurück ins Paradies. Intensiv und stilsicher hat sich die Regisseurin auf diesen, ihren filmischen Weg dieser Erzählung eingelassen.
Ohne ein in allen – auch die Produzenten seien hier erwähnt – Gewerken überzeugendes Team, das ihr hier mit sichtbarer Freude, gefolgt sein muss, wäre eine solche Leistung kaum möglich. Und auch das zeichnet eine herausragende Regiearbeit aus: dass alle im Team ihr Bestes geben und gemeinsam eine Vision zu filmischem Leben erwecken. ‚Sisi & Ich‘ ist ein moderner und zugleich zeitloser Spielfilm, bei dem man immer wieder Neues entdecken darf.“
Der Drehbuchpreis (dotiert mit insgesamt 10.000 Euro) geht mit je 5.000 Euro an Felix Lobrecht und David Wnendt für den Film „Sonne und Beton“.
Begründung der Jury:
„‘Das ist alles genauso passiert. Vielleicht aber auch nicht‘, heißt es eingangs in ‚Sonne und Beton‘. Der Filmemacher David Wnendt, schon seit ‚Kriegerin‘ Spezialist für komplexe und heikle Themen, hat den autofiktionalen Roman von Podcaster und Comedian Felix Lobrecht zu einem kongenialen Spielfilm umgeformt. Könnte so gewesen sein. Vielleicht aber auch nicht.
Die Bearbeitung des schriftstellerischen Debüts von Lobrecht zu einem griffigen, prägnanten und zugleich immer absolut authentisch wirkenden Drehbuch ist dabei ganz besonders zu loben. Die Szenen sind atmosphärisch dicht und klar umrissen, die Charaktere facettenreich und glaubwürdig. Die Dialoge fangen den Sound der Straße ein, klingen nach echtem Berlin-Neukölln von 2003 und nicht nach Papier. Hier wird nicht gepost und so getan, als ob, hier ist alles echt Brennpunkt-Kiez. Immer dicht dran an den vier Jungs auf dem holperigen Pfad ins Erwachsenwerden – und trotzdem auch künstlerisch ansprechend verpackt.“
Der Nachwuchs-Regiepreis (dotiert mit 10.000 Euro) geht an Sophie Linnenbaum für ihren Film „The Ordinaries“.
Begründung der Jury:
„Filme über das Filmemachen sind uns vertraut, aber ein Film über das ‚Filmsein‘ ist ungewöhnlich und in diesem Fall auch schräg. Die junge Regisseurin Sophie Linnenbaum geht Risiken ein und wagt ein durch und durch spannendes Genre-Experiment. Eines, das nicht nur gelingt und unterhält, sondern beim Zuschauer nachhallt. Die Protagonistin Paula, gespielt von Nachwuchsdarstellerin Fine Sendel, ist nur eine Nebenfigur im Film ihres Lebens, möchte aber – so ihr sehnlichster Wunsch – eine Hauptfigur werden, denn auch ihre Mutter ist nur Nebenfigur mit wenigen Sätzen und Auftritten.
Das Handwerkszeug hierfür lernt Paula an der Schule für Hauptfiguren und ihre Vorbilder sind ihr verschwundener Vater, der als Hauptfigur im Zentrum vieler Geschichten steht, ebenso wie ihre beste Freundin, die in einer Villa lebt und deren Alltag vor allem aus Musical Darbietungen besteht. Am Ende ihrer Reise und Sinnsuche taucht Paula in die Abgründe von Hierarchien und Klassenunterschieden ab, findet aber auch zu sich und ihrer ganz eigenen Dramaturgie.
Linnenbaum entwirft eine kluge und unterhaltsame Metapher über unsere Gesellschaft, die visuell so beeindruckend, detailverliebt und stilsicher ist, dass sie sich hinter keiner Hollywood Produktion zu verstecken braucht. ‚The Ordinaries‘ funktioniert auf mehreren Ebenen, nicht nur als liebevolle Hommage an das Medium Film und seine Herstellung, sondern auch als kluger, politischer und gesellschaftlicher Kommentar über Wert und Rolle des Individuums im vermeintlich starren System. Diese Heldinnenreise inszeniert Sophie Linnenbaum ideenreich, außergewöhnlich und unglaublich mutig.“
Der Nachwuchs-Schauspiel-Preis mit insgesamt 10.000 Euro geht an Simon Morzé für seine Rolle in „Der Fuchs“.
Begründung der Jury:
„Legenden von Schauspielern, die sich in besonderer Weise auf Rollen vorbereiten, gibt es im Kino zuhauf. Und auch über Simon Morzé in Adrian Goigingers beeindruckendem Drama ‚Der Fuchs‘ heißt es, er habe sich über Jahre auf diese Hauptrolle vorbereitet: Die Füchse, mit denen gedreht wurde, eigenhändig mit aufgezogen, monatelang auf einem Bergbauernhof gearbeitet und den Pinzgauer Dialekt gelernt. Wer die Leistung Morzés in dem Film sieht, weiß, dass das keine bloße Anekdote ist. Sondern Teil eines radikalen Commitments, das der Darsteller eingegangen ist, um dieser so wortkargen, vermeintlich einfachen und doch so komplexen Figur eine größtmögliche Wahrhaftigkeit zu geben.
Das äußere Kriegsgeschehen des Zweiten Weltkriegs, das innere Melodram um Urvertrauen und dessen Verlust – beides wird in diesem beeindruckenden Film oft in engen Kameraeinstellungen direkt in der Physiognomie des jungen Franz gespiegelt, sodass es umso eindrucksvoller ist, mit welcher Präsenz und Präzision, Zurückhaltung und Demut Morzé diese besondere Aufgabe meistert.“
Der Nachwuchs-Drehbuchpreis (dotiert mit insgesamt 10.000 Euro) geht zu je 5.000 Euro an Alex Schaad und Dimitrij Schaad für ihren Film „Aus meiner Haut“.
Begründung der Jury:
„‘Der Seminarleiter ist tot und nun ist die Tochter im Körper des Vaters gefangen.‘ Solch einen irritierenden Einstieg muss man sich erst mal trauen und es bleibt nicht die einzige Ungeheuerlichkeit in dieser Geschichte!
Geschichten oder Filme rund um Körpertausch kennen wir meist nur als Komödien, damit die humorvolle Distanz keine Identifikation zulässt, sondern ein spielerischer, unbeschwerter Umgang mit einem Thema garantiert, das es ja eigentlich ganz schön in sich hat. Das Drehbuch ‚Aus meiner Haut‘ wählt einen anderen Zugang. Zwar darf auch gelacht werden, aber die Geschichte, die Alex und Dimitrij Schaad uns erzählen, taucht viel tiefer, dabei oft leise und zärtlich in diese für uns auch unheimliche Materie ein. Sie begibt sich auf eine Reise ins Land der Fragen, für die es keine einfachen Antworten gibt. ‚Aus meiner Haut‘ erzählt komplex über Körper und Identität und ist im besten Sinn als Versuchsanordnung für ein eigenes, aber auch gegenseitiges körperliches und emotionales Verständnis zu lesen. Dabei bedienen sich die beiden Autoren keiner plumpen Assoziationen von ‚aus der Haut fahren‘ oder ‚wütend werden‘, sondern nähern sich fiktional der wörtlichen Umschreibung des dem Menschen Unmöglichen an: seine eigene Haut, seinen Körper verlassen und ihn mit jemand anderem, am liebsten einem uns sehr nahestehenden Menschen tauschen.
An einem verwunschenen Ort, einer Insel, finden im Sommer immer ritualisierte Körpertausch-Seminare statt. Zwei Paare, Leyla und Tristan sowie Fabienne und Mo, stehen hier im Mittelpunkt, deren unterschiedliche Charaktere mit ihren jeweils eigenen Sehnsüchten, Ängsten und Unsicherheiten kämpfen. ‚Sind wir die Menschen, die wir sind, weil wir den Körper haben, den wir haben‘, wird im Drehbuch gefragt? Was passiert mit uns, wenn wir Körper tauschen, und wieviel besser verstehen wir unser Gegenüber, wenn wir in seine Haut schlüpfen könnten? Diesen und weiteren Fragen gehen die Autoren in ihrer in Kapitel aufgeteilten Geschichte behutsam, tiefgründig und mit ansteckender Neugierde nach. Dabei wird auf dramaturgische Spannungsbögen bewusst verzichtet und stattdessen ein erzählerisches Setting gebaut, das Ruhe verströmt und eine an Meditation angelehnte Urkraft als Basis ausbreitet. Uns vertraute Elemente aus religiösen Glaubensgemeinschaften werden gekonnt in die Handlung verwoben, ohne diese dadurch zu ideologisieren.
‚Aus meiner Haut‘ ist das kluge Angebot an uns, dieses Gedankenexperiment weiter zu denken. Es ist die vermittelte Freude, dank der Autoren Schaad, sich intellektuell mit unserem Körper – weit über den Horizont dieser Erzählung hinaus – zu beschäftigen. Das ist mutig, ungewöhnlich und ein außergewöhnlich starkes Debüt!“
Der Dokumentarfilmpreis geht mit insgesamt 10.000 Euro an Uli Decker für den Film „Anima – Die Kleider meines Vaters“.
Begründung der Jury:
„In ‚Anima – Die Kleider meines Vaters‘ deckt Uli Decker das wohlgehütete Familiengeheimnis ihres Vaters auf, der gerne heimlich Frauenkleider trug. Ein Transvestit, der am Diktat seines Glaubens und bürgerlichen Lebens in einer bayerischen Kleinstadt der 80er Jahre verzweifelte. Sechs lange Jahre hat Uli Decker an diesem so persönlichen Film gearbeitet, immer wieder nach der richtigen Form gesucht. Herausgekommen ist ein wunderbar anrührender, beinahe anarchischer Film, der sich mit viel Humor, großer Sensibilität und Wucht über kleingeistige geschlechtliche Normen hinwegsetzt. Und uns ganz en passant daran erinnert, dass es letztlich der Mensch ist, der zählt.“
Der Preis für die beste Bildgestaltung (dotiert mit 10.000 Euro) geht an Jieun Yi für ihre Arbeit in dem Film „Sonne und Beton“.
Begründung der Jury:
„Die Gropiusstadt im Berliner Stadtteil Neukölln ist eine sogenannte Großwohnsiedlung aus den Sechzigerjahren. Knapp 40.000 Menschen leben heute dort. Vier von ihnen sind Lukas, Julius, Gino und Sanchez, die den heißen Sommer 2003 gemeinsam in der betonierten Hochhaustristesse verbringen. Regisseur David Wnendt setzte das autobiografische Romandebüt von Felix Lobrecht in einen Spielfilm um, der ganz unmittelbar ins Herz trifft.
Das liegt besonders an den kraftvollen, direkten und immer absolut authentischen Bildern, die Jieun Yi für den komplexen Stoff gefunden hat. Die Kamera bestimmt einen harten, ungestümen Rhythmus, dem sich alles unterzuordnen scheint. Sie klebt mitunter förmlich an den Charakteren und erzeugt dadurch eine unfassbare Nähe. Auch wenn die Handlungen der Figuren manchmal auf das Publikum irritierend wirken – dank Jieun Yis Kameraarbeit will man diese Menschen immer besser kennenlernen. Dabei gelingt Yi das Kunststück, in ihren prägnanten Bildern nie ins sozialromantische Klischee abzudriften, sondern durchgehend echt und wahrhaftig zu bleiben.“
Die Mitglieder der diesjährigen Jury sind: Isolde Barth, Dagmar Biller, Daniel Curio (Vorsitz), Dorothee Erpenstein, Dr. Ulrike Frick, Michael Hilscher, Rudolf Huber, Narges Kalhor, Prof. Bettina Reitz, Bettina Ricklefs und Sebastian Stern.
Weitere Informationen zum Bayerischen Filmpreis finden Sie hier.
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