Bayern setzt sich bei der Justizministerkonferenz für den Kampf gegen Antisemitismus ein / Wichtige Schritte erzielt, um das Recht fit für die digitale Welt zu machen / Justizminister Eisenreich: „Erneut haben alle bayerischen Vorschläge eine …
Bekämpfung von Hass und Hetze, besserer Schutz für Frauen vor Rachepornos, keine Manipulation der Meinungsbildung durch Deepfakes, härtere Auflagen für Tech-Konzerne: Bei der virtuellen Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und -minister war der Freistaat mit wichtigen Initiativen erfolgreich. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: „Erneut haben alle unsere bayerischen Vorschläge eine Mehrheit gefunden.“
I. Grundsatzerklärung gegen Antisemitismus
Die Konferenz hat sich auf Initiative Bayerns für eine Grundsatzerklärung der Justizministerinnen und -minister ausgesprochen: Die Verfolgung antisemitischer Straftaten soll grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen. Verweisungen auf den Privatklageweg und Verfahrenseinstellungen wegen Geringfügigkeit kommen nur noch in Ausnahmefällen in Betracht. Minister Eisenreich: „Diese bayerische Praxis haben wir zur bundesweiten Anwendung vorgeschlagen. Wir tragen in Deutschland eine besondere historische Verantwortung, den Judenhass an den Rändern, aber auch in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen. Bei uns darf es für Antisemitismus keinen Platz geben. Bei antisemitischen Straftaten darf es in aller Regel keine Verweisungen auf den Privatklageweg oder Einstellungen wegen Geringfügigkeit geben.“
II. Härtere Strafen bei Angriffen auf Verfassungsorgane
Mit dem versuchten Sturm auf das Reichstagsgebäude im Sommer 2020 wurde eine rote Linie überschritten. Die Justizministerkonferenz hat sich für einen von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam eingereichten Antrag zum Schutz von Verfassungsorganen ausgesprochen. Er sieht u.a. die Prüfung höherer Strafen bei Angriffen auf Verfassungsorgane vor. Eisenreich: „Reichsflaggen und rechtsextreme Zeichen vor unserem Parlament sind nicht hinnehmbar. Wir dürfen nicht zulassen, dass Demokratiefeinde Symbole unseres Rechtsstaates missbrauchen.“
III. Härteres Vorgehen bei Rachepornos
Die Justizministerinnen und -minister wollen auf Initiative Bayerns härter gegen das Verbreiten von Rachepornos („revenge porn“) vorgehen. Dabei handelt es sich um eine besonders perfide Form des Cybermobbings, bei der Nacktbilder ins Netz gestellt werden, um sich an einer anderen Person zu rächen. Deshalb soll nach dem Vorschlag Bayerns die Höchststrafe angehoben werden. Eisenreich: „Der derzeitige Strafrahmen wird dem Unrechtsgehalt solcher Taten nicht ausreichend gerecht. Wegen der – meist unwiderruflichen – Veröffentlichung im Internet führt dies bei den Opfern häufig zu schwerwiegenden, insbesondere psychischen, Folgen. Potenzielle Täter müssen bereits vor dem Hochladen durch angemessen hohe Strafen abgeschreckt werden. Deshalb sollten die Höchststrafe angehoben und Verweisungen auf den Privatklageweg ausgeschlossen werden.“
IV. Neuer Paragraf und härtere Strafen gegen strafbare Deepfakes
Deepfakes (verfälschte Bilder und Videos) sind ein relativ junges Phänomen – aber die Verbreitung digitaler Fälschungen nimmt zu. Die Justizministerkonferenz hat sich auf Antrag Bayerns dafür ausgesprochen, die Gefahren von Deepfakes in den Blick zu nehmen und Handlungsbedarf im Strafgesetzbuch (StGB) zu prüfen. Nach dem Vorschlag Bayerns soll zum Schutz der öffentlichen Meinungsbildung ein neuer Paragraf geschaffen werden. Der hierzu vorgeschlagene neue § 141 StGB sieht Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor, wenn Deepfakes dazu genutzt werden, die öffentliche Meinung zu manipulieren und den politischen Prozess gezielt zu beeinflussen. Eisenreich: „Deepfakes können die öffentliche Meinungsbildung manipulieren und die Demokratie gefährden. Deshalb müssen wir unser Strafrecht an diese Herausforderungen anpassen. Gefälschte Videos von Spitzenpolitikern oder Statements von scheinbar staatlichen Stellen zur Sicherheitslage darf es bei uns nicht geben.“ Für das Veröffentlichen von Fake-Bildern und Videos (§ 201a Absatz 2 StGB), die das Ansehen Einzelner schädigen (z.B. auf Pornoportalen), fordert Bayern eine qualifizierte Strafandrohung (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren statt wie bisher bis zu zwei Jahren).
V. Löschpflicht für digitale Massenmedien
Das 2017 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung strafbarer Inhalte im Netz. Hasskommentare und Gewaltdarstelllungen müssen von den sozialen Netzwerken binnen fester Fristen gelöscht werden. Es besteht jedoch Nachbesserungsbedarf bei bestimmten Plattformen, die bisher vom Anwendungsbereich des NetzDG nicht rechtssicher erfasst sind. Die Justizministerkonferenz hat sich auf Initiative Bayerns dafür ausgesprochen, Schutzlücken zu schließen. Rechtssicher erfasst werden sollen künftig auch Messenger-Dienste wie Telegram, Sparten-Plattformen wie Pornhub oder Plattformen, die ohne Registrierung genutzt werden können. Auch soll der Straftaten-Katalog erweitert werden. So sollte vor allem eine Löschpflicht für strafbare Deepfakes eingeführt werden. Eisenreich: „In großen Gruppen und Kanälen des Dienstes Telegram werden auch Hass, Hetze und Verschwörungstheorien verbreitet. Weil der Dienst anfangs ein reiner Messenger war, fällt er nicht rechtssicher unter das NetzDG. Dabei hat sich die Plattform inzwischen längst zu einem Massen-Medium entwickelt, in dem sich bis zu 200.000 Menschen in einer Gruppe austauschen können. Telegram unternimmt kaum etwas gegen strafbare Inhalte. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Deshalb müssen gefährliche Schutzlücken zeitnah geschlossen werden.“
VI. Digital Services Act – Deutsches Schutzniveau erhalten
Die Europäische Union hat im Dezember 2020 den Digital Services Act (DSA) im Kampf gegen strafbare Inhalte im Netz vorgelegt. Die Justizministerkonferenz unterstützt die bayerische Forderung, dass die neuen europäischen Regelungen nicht hinter dem Schutzniveau des NetzDG zurückbleiben dürfen. Aus dem DSA ergibt sich bislang keine ausdrückliche gesetzliche Löschpflicht bei strafbaren Inhalten. Auch sieht der DSA eine Anzeigepflicht für Online-Plattformen nur bei schweren Straftaten vor. Eisenreich: „Der DSA kann im europaweiten Kampf gegen Hass und Hetze helfen. Er bietet wichtige Ansätze. Aber es gibt erheblichen Nachbesserungsbedarf. Das europäische Regelwerk darf auf keinen Fall hinter dem hohen Schutzniveau des NetzDG zurückbleiben.“
VII. Grenzüberschreitendes Verhandeln in der EU
Der Einsatz von Videotechnik hat sich während der Corona-Pandemie im Zivilprozess bewährt: Viele Gerichte haben per Videoübertragung verhandelt, wenn etwa Zeugen oder Parteien wegen der Reisebeschränkungen nicht im Gerichtssaal erscheinen konnten. § 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) lässt das in Deutschland zu. Auf europäischer Ebene hingegen fehlt dafür eine umfassende Rechtsgrundlage. Die Konferenz hat sich daher der bayerischen Aufforderung an die Bundesjustizministerin angeschlossen, sich für ein grenzüberschreitendes Verhandeln mittels Videokonferenzanlagen einzusetzen. Eisenreich: „Der Reformprozess ist dringend notwendig. Wir brauchen einen bürgernahen und effizienten Zivilprozess – auch über staatliche Grenzen hinweg.“
Eisenreich abschließend: „Wir wollen die Vorteile der Digitalisierung nutzen – dabei aber nicht die Risiken aus dem Blick verlieren. Bayern hat bei dieser Konferenz viele wichtige Initiativen auf den Weg gebracht. Ich freue mich, dass unsere Vorschläge überzeugen konnten. Jetzt sind der Bund und die EU gefordert.“
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