Bayern u.a. mit Strafrechts-Initiativen und bürgernahen Themen bei der Justizministerkonferenz erfolgreich / Bayerns Justizminister Eisenreich: „Alle Vorschläge haben eine Mehrheit gefunden. Jetzt ist der Bund gefordert.“
Besserer Schutz für Stalking-Opfer, höhere Strafen bei Trunkenheitsfahrten, mehr Rechtssicherheit bei Legal-Tech: Bei der virtuellen Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister war der Freistaat mit wichtigen Initiativen erfolgreich. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: „Alle unsere bayerischen Vorschläge haben auf der Konferenz eine Mehrheit gefunden.“
I. Schutz vor hartnäckigen Stalkern verbessern
Die Konferenz hat sich auf Initiative Bayerns des Themas „Weitere Reform des Stalking-Paragrafen 238 StGB“ angenommen. Minister Eisenreich: „Die Zahl der verurteilten Stalker ist in Bayern von 60 im Jahr 2018 auf 103 im Jahr 2019 gestiegen. Wir wollen den Schutz vor besonders hartnäckigen Tätern weiter verbessern. Bisher ist es z. B. kaum möglich, Stalker in Sicherungshaft zu nehmen, um einer Eskalation entgegenzuwirken.“ Die Konferenz hat sich auf Initiative Bayerns dafür ausgesprochen, die Einführung einer neuen strafschärfenden Regelung für besonders hartnäckige Täter zu prüfen. Daneben soll auch die Sicherungshaft erleichtert angeordnet werden können.
II. Reform des Verkehrsstrafrechts
Zusammen mit NRW fordert Bayern eine große Verkehrsstrafrechtsreform. Grobe Verstöße gegen die Sicherheit des Straßenverkehrs mit Todesfolge haben eine Debatte über angemessene Strafen ausgelöst. Die Konferenz stimmte für den gemeinsamen Vorschlag von Bayern und NRW, eine qualifizierte Strafandrohung für Verkehrsverstöße mit leichtfertig herbeigeführter Todesfolge einzuführen. Der bayerische Justizminister: „Knapp ein Viertel aller Straftaten haben sich in Bayern vergangenes Jahr im Straßenverkehr ereignet. Die Fälle mit Trunkenheit sind mit 7,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr signifikant gestiegen. Bei Trunkenheitsfahrten mit Todesfolge sieht das geltende Gesetz in Deutschland nur Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor. Das steht in keinem Verhältnis zu den dramatischen Folgen für die Hinterbliebenen der Opfer bei solchen Unfällen. Wer betrunken am Steuer den Tod Dritter leichtfertig verursacht, muss mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können. Außerdem müssen wir die Mindestfreiheitsstrafe von einem auf sechs Monate erhöhen. Das soll im Übrigen für alle Verkehrsverstöße gelten, bei denen der Tod Dritter leichtfertig herbeigeführt wird.“
III. Cold Cases – Täter angemessen verurteilen, neue DNA-Beweise zulassen
Trotz intensiver Ermittlungen bleiben manche Kapitalverbrechen in Deutschland für Jahrzehnte ungelöst. Durch verbesserte Kriminaltechniken wie DNA-Analysen können einige sog. „Cold Cases“ mittlerweile doch aufgeklärt werden. Die Konferenz hat sich auf Initiative Bayerns dafür ausgesprochen, sich für eine verfahrensmäßig angemessene Behandlung der Täter einzusetzen.
Dafür werden zwei Änderungen angeregt: Zum einen sollen Verfahrensregeln, die zum Schutz von Jugendlichen oder Heranwachsenden beschlossen wurden, nicht länger für inzwischen erwachsene Angeklagte gelten. Eisenreich: „Wenn der Täter zur Tatzeit noch minderjährig war, gilt derzeit für das Verfahren das Jugendstrafrecht. Damit kann die Öffentlichkeit im Prozess ausgeschlossen werden. Es darf aber keinen prozessualen Jugendschutz für inzwischen Erwachsene geben. Selbst bei heranwachsenden Tätern (18 bis 20 Jahre) muss z. B. noch die Jugendgerichtshilfe angehört werden, sogar wenn der Täter inzwischen im Rentenalter ist. Das muss geändert werden.“
Zum anderen stimmte die Konferenz dafür, die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) zur Wiederaufnahme von Verfahren bei schwersten Verbrechen zu erweitern. Täter können nach einem rechtskräftigen Freispruch grundsätzlich nicht mehr belangt werden. Die bayerische Justiz will z. B. bei Mord oder Völkermord eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu Lasten eines freigesprochenen Angeklagten zulassen, wenn durch neue Kriminaltechnik doch noch eine Verurteilung erfolgen kann.
IV. Kostenbeteiligung des Bundes in Staatsschutzsachen
Die Herbstkonferenz hat sich zudem dafür ausgesprochen, den Bund an den Kosten für die vor den Oberlandesgerichten verhandelten Staatsschutzsachen zu beteiligen. Dabei handelt es sich zumeist um politisch motivierte Straftaten, die sich gegen den Staat oder seine Einrichtungen richten. Minister Eisenreich: „Die Zahl der vor den Oberlandesgerichten verhandelten Staatsschutzsachen und damit einhergehend die Belastung der Justizhaushalte der Länder ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Vor dem Hintergrund der eigentlichen Zuständigkeit für Staatsschutzsachen des Bundes, die durch den Generalbundesanwalt angeklagt werden, sollte der Bund sich an den Personal- und Sachkosten der Länder beteiligen.“
V. Zivilprozess der Zukunft
Der Zivilprozess soll fit gemacht werden für die Anforderungen des digitalen Zeitalters. Derzeit erarbeitet die Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“ unter dem Vorsitz des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg, Dr. Thomas Dickert, Reformansätze. Auf Initiative Bayerns hat sich die Justizministerkonferenz heute dafür ausgesprochen, dass das Bundesjustizministerium eine Kommission zu dem Reformvorhaben einsetzen soll. Minister Eisenreich: „Die Welt von morgen ist digital. Wir wollen die Chancen der Digitalisierung auch in der Justiz nutzen. Voraussetzung hierfür ist ein modernes Prozessrecht. Hier gibt es Handlungsbedarf: Die ZPO ist für die Papierakte geschrieben worden, nicht für die E-Akte. In der Arbeitsgruppe ‚Modernisierung des Zivilprozesses‘ leistet die Richterschaft derzeit wertvolle Vorarbeit. Auf dieser guten Grundlage müssen zügig konkrete Reformvorschläge entwickelt werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
VI. Legal Tech – Regeln für Inkasso-Dienste im Internet
Legal Tech-Unternehmen erleichtern mit ihren niedrigschwelligen Angeboten den Zugang zum Recht und sparen Verbrauchern Zeit und Kosten, beispielsweise um eine Entschädigung nach einem Flugausfall zu erhalten oder um überhöhte Miete zurückzuerhalten. Sie sind daher in dafür geeigneten Fällen ein sinnvolles Angebot. Gleichzeitig ist die Rechtsberatung aber ein besonders sensibler Bereich.
Die Justizministerkonferenz hat sich auf Initiative Bayerns dafür ausgesprochen, dass der Gesetzgeber regeln muss, welche Geschäftsmodelle zulässig sind und welche nicht. Minister Eisenreich: „Legal Tech ist heute ein digitales Massengeschäft. Verbraucher und Unternehmen brauchen in diesem Bereich Rechtssicherheit. Die hohe Qualität der Rechtsberatung muss erhalten bleiben. Das Kerngeschäft der Rechtsdienstleistung muss der Rechtsanwaltschaft vorbehalten bleiben. Die Verbraucher müssen zudem über die begrenzte Aussagekraft automatisierter Rechtsauskünfte, die Qualität der rechtlichen Prüfung und über die bestehenden Risiken von Mandatierung und Prozessführung aufgeklärt werden.“
VII. Qualität der Patientenverfügung verbessern
Die Justizministerkonferenz hat sich auch dafür ausgesprochen, die Qualität der Patientenverfügung zu verbessern. Zwar haben bereits – nach jüngeren Studien des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands – 43 Prozent der Deutschen eine solche Verfügung. Allerdings ist nach dieser Studie ein beträchtlicher Teil (44 Prozent) der abgegebenen Formulare nicht vollständig oder nicht nachvollziehbar ausgefüllt. Oft erreichen sie den behandelnden Arzt nicht. Bayern schlägt daher vor, das Zentrale Vorsorgeregister künftig für die Patientenverfügung zu öffnen. Dort soll die Verfügung auch in digitaler Form freiwillig gespeichert werden können. Bayerns Justizminister: „Damit wollen wir sicherstellen, dass der Wille eines Patienten klar formuliert ist und den behandelnden Arzt im Fall der Fälle erreicht. Niemand beschäftigt sich gern mit der Möglichkeit eines schweren Unfalls oder einer lebensbedrohenden Erkrankung. Aber es ist wichtig, sich rechtzeitig Gedanken zu machen und durch eine Patientenverfügung Vorsorge zu treffen.“
Eisenreich abschließend: „Der Freistaat hat bei dieser Konferenz viele wichtige Initiativen auf den Weg gebracht. Ich freue mich, dass unsere Vorschläge überzeugen konnten. Jetzt ist der Bund gefordert.“
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