Holetschek und Praktiker fordern Nachbesserungen bei Krankenhausreform – Bayerns Gesundheitsminister: Breite Skepsis bei Akteuren der Krankenhausversorgung
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek und eine breite Allianz aus Praktikern und Verbänden haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach aufgerufen, die Krankenhausreform-Eckpunkte in wichtigen Punkten nachzubessern. Holetschek sagte am Samstag in München: „Was Herr Lauterbach als Revolution anpreist, wird in der Praxis deutlich zurückhaltender bewertet. Seit Beginn der inhaltlichen Krankenhausreformdiskussion haben wir in Bayern ein Beratungsgremium, in dem sich Vertreter aus allen Bereichen der Krankenhauslandschaft zu den Plänen für die Krankenhausreform austauschen. Bayern ist mit seiner Ablehnung der zuletzt vorgelegten Eckpunkte bei weitem nicht allein. Ich kann dem Bundesminister nur raten, beim Ausarbeiten des Gesetzentwurfes auch die Stimmen der Praktiker maßgeblich zu berücksichtigen, damit die angekündigte Revolution nicht zum Rohrkrepierer wird.“
Das Beratungsgremium hatte sich am Mittwochabend in einer Videoschalte über den aktuellen Stand der Krankenhausreform ausgetauscht. An dem Gremium beteiligen sich neben der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, dem Verband der Privatkrankenanstalten und dem Landesverband Bayern der Krankenhausdirektoren auch Vertreter einzelner Krankenhäuser, der Universitätsmedizin, der Bayerischen Landesärztekammer, der Haus- und Fachärzte, der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, des Marburger Bunds, der Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas als Repräsentanten freigemeinnütziger Krankenhausträger, der Vereinigung der Pflegenden sowie der Kommunalen Spitzenverbände.
Holetschek betonte: „Das Beratergremium hat unisono die von mir in den Verhandlungen mit dem Bund vorgetragenen zentralen bayerischen Forderungen bestätigt: Um auch künftig zur Versorgung der Bevölkerung notwendige Strukturen nicht zu zerstören, muss der Bund rasch Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität der Kliniken ergreifen. Die Planungs- und Gestaltungshoheit der Länder muss trotz bundesweiter Vorgaben auch künftig erhalten bleiben, um regionale Gegebenheiten berücksichtigen zu können. Und verbindliche Festlegungen im Gesetzgebungsverfahren kann es erst geben, wenn eine valide Folgenabschätzung der tatsächlich geplanten Bundesvorgaben zu Leistungsgruppen und Qualitätsvoraussetzungen vorgelegt wurde.“
Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, sagte: „In der Corona-Pandemie haben wir bewiesen, wie schnell und flexibel die Krankenhäuser auf neue Herausforderungen der Versorgung reagieren. Dies gilt auch bei den grundlegenden Veränderungsprozessen, wenn die Richtung klar ist und die Rahmenbedingungen passen. Um die Versorgungsstrukturen für die Zukunft wetterfest zu machen, sind regionale Bedarfsanalysen für die Patienten und Sicherheit für die Beschäftigten in den Kliniken nötig. Es ist aus unserer Sicht unmöglich, die Versprechungen von Prof. Lauterbach zu mehr Qualität und einer Entökonomisierung über unkontrollierte Insolvenzen vieler Krankenhäuser erreichen zu wollen. Dies macht uns fassungslos und muss verhindert werden.“
Prof. Oliver Kölbl als Vertreter der Universitätsmedizin betonte: „Dass wir in Deutschland eine Reform des Gesundheitssystems benötigen, ist meiner Ansicht nach unbestritten. Das mir vorliegende, die Krankenhausreform betreffende Eckpunktepapier vom 10.7.2023, weist allerdings deutlich mehr Fragen auf, als dass es Antworten auf die bestehenden Probleme geben kann. Es ist in wichtigen Punkten viel zu wenig konkret und berücksichtigt, wie es im Papier sogar explizit formuliert wird, die Auswirkungen und Folgen der Reform zu wenig. Das betrifft nicht nur die zukünftige medizinische Versorgung in der Fläche, sondern auch die konkrete Finanzierungssystematik, von der angedachten Entbürokratisierung ganz zu schweigen.“
Prof. Dr. Achim Jockwig, Vorstand des Klinikums Nürnberg, sagte: „Für eine zukunftsfähige und auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser ist besonders der Aufsatzpunkt für die Ermittlung der künftigen Vorhaltepauschalen entscheidend. Die Krankenhäuser sind aktuell die Verlierer der Corona-Pandemie, da sie weiterhin rund zehn Prozent weniger Erlöse generieren können als zuvor. Dies liegt nicht an fehlendem Versorgungsbedarf, sondern an fehlenden Versorgungskapazitäten. Die Erlöseinbußen führen aktuell zu einer massiven wirtschaftlichen Schieflage bei vielen Krankenhäusern. Wenn die Vorhaltepauschalen auf Basis dieser aktuellen Erlösmenge ermittelt werden, ändert sich an dieser Schieflage nichts. Für eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser braucht es zunächst die Sicherung des alten Geldes, also der bisherigen Budgets, welche die Basis für die Ermittlung der Vorhaltepauschalen darstellen sollten. Dass aufgrund der Kostensteigerungen durch Inflation und Lohnerhöhungen natürlich auch höhere Krankenhäuserlöse durch Preisanpassung im Basisfallwert notwendig sind, ist selbstverständlich.“
Dr. Thomas Weiler, Geschäftsführer der Starnberger Kliniken und Landesvorsitzender Bayern des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, sagte: „An der Notwendigkeit einer Krankenhausreform gibt es sicherlich keinen Zweifel. Ganz im Gegenteil. Die Situation der Krankenhäuser unter der aktuellen Finanzierungsform ist für einen sehr großen Teil der Versorgungskrankenhäuser aktuell existenzbedrohend. Damit ist auch die wohnortnahe Flächenversorgung, die wir in Bayern erfolgreich aufgebaut haben und sich bewährt hat, gefährdet. Viele Punkte, die nun im Eckpunktepapier festgehalten wurden, werden sich in der praktischen Umsetzung, in der Kürze der Zeit, die dafür vorgesehen ist, als nicht umsetzbar erweisen. Damit wird die Flächenversorgung nicht wie vorgesehen gesichert, sondern noch zusätzlich gefährdet. Dies aufgrund der Tatsache, dass nach einer kurzen Konvergenzphase viele Leistungen in ‚kleinen‘ Krankenhäusern nicht mehr angeboten werden dürfen, dafür aber als Kompensation die notwendigen Kapazitäten in ‚größeren‘ Krankenhäuser noch nicht aufgebaut werden konnten. Wir brauchen mehr Zeit, um diese Reform umzusetzen, und die Auswirkungen der Reform müssen vorher genau analysiert und bewertet werden. Parallel muss die Finanzierung der Krankenhäuser in der Phase der Umsetzung der Reform, also der Transformation, gesichert werden, um nicht in ein unkontrolliertes ‚Krankenhaussterben‘ zu laufen.“
Dr. Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), erklärte: „Selbstverständlich benötigen wir auch die kleineren Krankenhäuser in der Fläche, in denen sich die Patienten gut aufgehoben fühlen. Aber die Ausgestaltung der Level-1i-Häuser ist derzeit noch völlig unklar. Diese Schnittstelle zum ambulanten Bereich muss unter enger Einbindung der Expertise der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte unter Führung der KVen ausgestaltet werden. Bestehende Regelungen dürfen nicht willkürlich ausgehebelt werden. Wenn es zu Leistungsverlagerungen in den ambulanten Bereich kommt, müssen auch die entsprechenden finanziellen Mittel dafür von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden.“
Dr. Andreas Botzlar, 1. Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), sagte: „Neben ihrer Rolle in der Patientenversorgung nehmen Krankenhäuser eine zentrale Funktion bei der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten ein. Dieser Aspekt ist bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Mehr noch: Die Reformpläne untergraben die von der ärztlichen Selbstverwaltung etablierten tragfähigen und zielorientierten Strukturen. Weiterbildungsbefugnisse müssen von den Landesärztekammern auch zukünftig nach objektivierbaren Kriterien erteilt werden. Zu einer gesetzlich vorgegebenen Zuweisung von Befugnissen, auch bei Fehlen der erforderlichen Kompetenzen und Strukturen, darf es nicht kommen.“
Dr. Wolfgang Ritter, Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands, sagte: „Die geplante Krankenhausreform wird gravierende Auswirkungen auch auf die ambulante hausärztliche Versorgung haben. Dennoch wird dieser Bereich in dieser Reform vollkommen ausgeschlossen. Der Gesetzgeber schafft mit dieser Reform Rahmenbedingungen, deren Auswirkungen nicht abschätzbar sind. Wenn es der Bundesregierung um Qualität geht, dann bleibt sie aufgefordert, umfassend darzustellen, wie eine hochwertige stationäre Weiterbildung in den abgespeckten Level II Häusern gewährleistet werden soll.“
Georg Sigl-Lehner, Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) bekräftigte: „Das Eckpunktepapier ist derzeit nur eine vage Absichtserklärung. Wir haben aber begründete Zweifel daran, dass auf dieser Grundlage eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen und vor allem die Überwindung der Sektoren gelingen kann. Gerade mit dem nun zusammengestutzten Konzept der Level Ii-Einrichtungen wird nahezu fahrlässig die Chance vergeben, wirklich innovative Impulse zu setzen und die beruflichen Kompetenzen der Pflege zur dauerhaften Sicherung einer wohnortnahen und niederschwelligen Versorgung zu nutzen.“
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