Staatsminister erläutert Bayerisches Energiekonzept – Herausforderungen durch den Ukrainekrieg
MÜNCHEN Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger hat im Ministerrat die bayerischen Positionen in der Energiepolitik dargelegt. Aiwanger: „Vor dem Hintergrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine hat sich eine völlig neue Situation auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und die künftige Energieversorgung Bayerns ergeben. Auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Bayern 2040 gilt es, so viel Strom wie möglich in Bayern zu erzeugen und damit eine größere Unabhängigkeit von Energieimporten zu erhalten. Der Ausbau von erneuerbaren Energien und der Einsatz von Wasserstoff ist die Zukunft. Es müssen jetzt alle Weichen gestellt werden, damit Bezahlbarkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit ganz oben auf der Energie-Tagesordnung stehen.“
Der Energieminister betonte, die energiepolitischen Ziele Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit stünden nun vor einer doppelten Herausforderung: Dekarbonisierung und schneller Ausstieg aus Energieimporten aus Russland. Sein Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie habe ein klares Konzept:
Versorgungssicherheit
Eine dauerhaft sichere, zuverlässige und qualitativ hochwertige Energieversorgung bildet die Basis aller energiepolitischen Überlegungen. Aiwanger: „Trotz erster Erfolge bei der Substitution russischer Energieimporte, sind wir noch nicht unabhängig genug. Vor allem die Abhängigkeit von russischen Gasimporten muss schnell und entschlossen verringert werden.“ Da etwa 20 Prozent des in Deutschland 2021 genutzten Gases durch die Stromerzeugung verbraucht wird, sieht der Energieminister in diesem Bereich große Einsparpotenziale.
Aiwanger: „Der Bund muss die Stilllegung von Kohlekraftwerken vorübergehend aussetzen, damit wir mehr Strom mit Kohle statt mit erzeugen können. Zudem habe ich die Bundesnetzagentur um Prüfung gebeten, ob in Bayern eine sichere Versorgung mit Strom auch dann noch gewährleistet ist, wenn das Kernkraftwerk Isar 2 Ende 2022 vom Netz geht und wir gleichzeitig auch im Fall einer Gasmangellage möglicherweise die Gaskraftwerke nicht mehr in vollem Umfang nutzen können. Die Bundesnetzagentur hat das Prüf-Ergebnis für Mai angekündigt; bislang steht die Antwort noch aus.“ Vom Ergebnis dieser Prüfung hänge ab, ob wir vom Bund auch eine Verlängerung der Laufzeiten der aktuell noch laufenden bzw. vor Kurzem außer Betrieb genommenen Kernkraftwerke einfordern müssen.
Energiepreise
Die durch den den Ukraine-Krieg gestiegenen Energiepreise haben laut dem Energieminister historisch einmalige und nicht mehr zumutbare Höhen erreicht. Aiwanger warnte: „Es besteht die große Gefahr einer strukturellen Überforderung von Wirtschaft und privaten Verbrauchern. Daher haben wir dringenden Handlungsbedarf. Ich habe mich wiederholt beim Bund für eine umfassende Energiepreisbremse eingesetzt, etwa mit mehreren Anträgen im Bundesrat. Die bislang beschlossenen Entlastungen können nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen dringend weiterreichende Entlastungen für private Haushalte und die Wirtschaft.“
Bayerns Forderungen an den Bund:
- Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß noch im Jahr 2022.
- Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu den Netzentgelten in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro wie im Kohleausstiegsgesetz bereits zugesagt.
- Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Erdgas, Elektrizität und Fernwärme.
- Absenkung der Energiesteuern auf Heizöl und Erdgas auf das europäische Mindestmaß. Dies ist insbesondere für die Unternehmen in Deutschland von großer Bedeutung.
- Entlastung auch für Pendler, die weniger als 21 Kilometer zurücklegen.
- Einführung eines Industriestrompreises in Deutschland.
- Beibehaltung der für die energieintensive Industrie im internationalen Wettbewerb existenziell wichtigen Ausnahmetatbestände zur Senkung der Strompreise (z. B. Spitzenausgleich).
- Berücksichtigung besonders betroffener Industriezweige bei der Strompreiskompensation.
- Deutliche Ausweitung der Möglichkeit des steuerlichen Verlustrücktrages.
Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der Energieminister stellt klar: „Der Ukraine-Krieg unterstreicht die Notwendigkeit, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu intensivieren und zu beschleunigen. Bayern liegt seit vielen Jahren beim Ausbaustand der erneuerbaren Energien an der Spitze in Deutschland. Wir werden aber unsere Anstrengungen noch weiter forcieren.“
In Bayern stammte 2020 bereits mehr als 52 % der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen. Photovoltaik (13,0 Terrawattstaunden) und Wasserkraft (11,1 TWh) leisteten den größten Betrag, gefolgt von der Biomasse (10,1 TWh) und der Windenergie (4,9 TWh).
Aiwanger: „Bis 2030 möchte ich in Bayern die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien verdoppeln und so das vom Bund festgelegte Ziel von 80 Prozent Erneuerbaren Energien im Stromsektor auch im Freistaat erreichen. Treiber wird insbesondere die Photovoltaik sowie die Windkraft sein. Voraussetzung dafür ist, dass auf Bundesebene die aktuell bestehenden Hemmnisse für einen massiven und beschleunigten Ausbau umfassend abgebaut werden.“
- Photovoltaik: Der Freistaat unterstützt mit eigenen Programmen erfolgreich die EEG-Förderung des Bundes. In das Bayerische PV-Speicherprogramm wurden 100 Millionen Euro investiert, um 100.000 Anträge für Speicher in den Haushalten zu fördern. Aiwanger: „Der Bund sollte daher ein eigenes PV-Speicherprogramm nach dem erfolgreichen bayerischen Vorbild auflegen. Erhöht haben wir die Kontingente für PV-Freiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten von 70 auf 200 mögliche neue Anlagen pro Jahr. Wir planen auch die Errichtung von PV-Anlagen auf allen geeigneten staatlichen Gebäuden und bereiten ein Projekt mit Agri-PV, das die Nahrungsmittel- und Energieproduktion auf Feldern kombiniert, auf den Bayerischen Staatsgütern vor.“
Zur Stärkung des Solarenergieausbaus braucht es aber auch Unterstützung durch den Bund. Bei der Agri-PV bedarf es bei der geplanten Aufnahme in die regulären EEG-Ausschreibungen eines eigenen Ausschreibungssegmentes, da diese Anlagen ansonsten in der Regel nicht wettbewerbsfähig gegenüber konventionellen Anlagen sind. Agri-PV-Anlagen sollten der landwirtschaftlichen und nicht der gewerblichen Besteuerung unterliegen. Die unverhältnismäßige Flächenbegrenzung bei Floating-PV durch die Vorgaben im Wasserhaushaltsgesetz sind anzupassen, um einen Markthochlauf zu ermöglichen. Die im Gesetzentwurf des Bundes vorgesehene Ausnahme von der Ausschreibungspflicht für Freiflächen-PV-Anlagen bis 6 MW, die als Bürgerenergie-Anlagen errichtet werden, sollte auch für entsprechende Dach-PV Anlagen gelten.
- Windenergie: Der Energieminister betonte: „Wir brauchen einen dynamischen Ausbau der Windkraft in Bayern, dürfen aber auch die Akzeptanz der Bürger auf diesem Weg nicht aus den Augen verlieren. Daher haben wir uns in der Koalition geeinigt, die 10 H-Regelung zu erhalten, sie aber an entscheidenden Stellen zugunsten der Windkraft zu reformieren.
Aiwanger: „Wir wollen eine Reihe von Ausnahmetatbeständen verankern, bei denen der Mindestabstand auf 1.000 Meter reduziert wird. Geplant sind Ausnahmen für das Repowering, für Anlagen in Waldgebieten, für regionalplanerisch und kommunal für Windenergie ausgewiesene Flächen sowie für sogenannte vorbelastete Gebiete, Truppenübungsplätze und für Anlagen im Umgriff von Industrie- und Gewerbegebieten insbesondere zur Stromversorgung von anliegenden Betrieben. Mit diesen Reformen der 10 H-Regel und den Vorgaben in der Landesplanung können wir ein Flächenpotential für Windkraftanlagen in der Größenordnung von bis zu 2 % der Landesfläche aktivieren.“
Damit mehr als 1000 neue Windenergieanlagen in den nächsten Jahren entstehen können, sei aber auch Berlin gefordert, die bundesweit bestehenden Hemmnisse für die Windkraft zu beseitigen. Aiwanger: „Ich nenne hier nur beispielhaft die immer noch ausstehende beihilferechtliche Genehmigung der Südquoten bei den Ausschreibungen, die zügige Umsetzung der angekündigten Verbesserungen bei den nötigen Abständen zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren sowie den Abbau von bundesgesetzlichen Konflikten zwischen dem Natur- und Artenschutz einerseits und dem notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien andererseits.“
- Bioenergie: Bayern hat klare Stärken bei der Bioenergie und wir unterstützen die Betreiber nach Kräften zum Beispiel durch das Förderprogramm BioKlima für Biomasseheizwerke. Aiwanger: „Damit mehr Anlagen wirtschaftlich betrieben werden können, braucht es aber Verbesserungen vom Bund. So muss das bisherige Ausschreibungsvolumen für Biomasse beibehalten werden, um die Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme im Markt zu halten. Auch braucht es die Einführung einer Förderung für Anlagen zur Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz. Der Mindeststeuersatz für Biokraftstoffe, die in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden, muss erhalten werden.“
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Wasserkraft: Diese Energie ist gerade in Bayern ein wichtiger Baustein der Energiewende. Aiwanger: „Um das Potential der Wasserkraft in Bayern stärker auszuschöpfen, ist aber vor allem der Bund gefordert. Auch die Wasserkraft muss eine faire Chance erhalten, beim notwendigen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien ihren Beitrag zu leisten. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass nun im Gesetzentwurf des EEG 2023 zwar ein Vorrang für die Erneuerbaren Energien vorgesehen ist, dieser aber für die Wasserkraft ausdrücklich nicht gelten soll. Das passt genauso wenig zusammen wie die vorgesehene Abschaffung der Förderung kleiner Wasserkraftanlagen bis 500 kW im EEG. Diese Regelung gefährdet den Weiterbetrieb von rund 4.000 Wasserkraftanlagen in Bayern. Wir lehnen das entschieden ab.“
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Geothermie: Auch bei der Geothermie ist Bayern mit weitem Abstand Spitzenreiter in Deutschland. Aiwanger: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, aus dieser Energiequelle bis zum Jahr 2050 rund 25 Prozent des bayerischen Wärmebedarfs im Gebäudesektor zu decken. Hierfür bedarf es jedoch ebenfalls deutlich verbesserter Rahmenbedingungen durch den Bund, wie zum Beispiel des raschen Inkrafttretens einer angemessenen Mittelausstattung und einer langfristigen Perspektive der Bundesförderung für effiziente Wärme und der Auflage eines bundesweiten Masterplans Geothermie.“
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Grüner Wasserstoff: „Unsere Wasserstoffstrategie vervollständigt die bayerische Energiepolitik. Bayern verfolgt das Ziel, dass der Freistaat sich zum führenden Standort für Wasserstoff-Technologien entwickelt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Stromerzeugung erfolgt lokal und unabhängig und ermöglicht eine Wertschöpfung vor Ort. Bayern wird eine Wasserstoff-Infrastruktur aufbauen. Wir bauen gerade das Nationale Wasserstoffanwenderzentrum ((WTAZ) in Pfeffenhausen auf, haben ein Wasserstofftankstellen-Förderprogramm für Lkw auf den Weg gebracht. Wir werden aber wie bisher fossile Energieträger künftig grünen Wasserstof importieren müssen. dafür brauchen wir Pipelines aus dem Süden und dem Norden.“
Der Staatsminister unterstreicht: „Um zukünftig eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Versorgung mit Energie in Bayern sicherzustellen, haben wir bereits vieles auf den Weg gebracht. Bayern ist und bleibt Vorreiter bei der Energiewende. Auch bei der Windkraft, die bisher in Bayern noch unter ihren Möglichkeiten geblieben ist, werden mit den nun gemeinsam beschlossenen Eckpunkten für einen weiteren Ausbau unter Beachtung der Akzeptanz vor Ort einen großen Schritt vorankommen.“
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