Bayern ist geprägt von einem reichen kulturellen Erbe. Dazu gehören nicht nur die weltbekannten Kunstwerke und Denkmäler, sondern auch immaterielle Kulturformen wie Bräuche, Feste, Musik und nicht zuletzt die Sprache. „Das kulturelle Erbe Bayerns zu bewahren und zu gestalten ist wesentlicher Bestandteil unserer Heimatpolitik. Die Erfassung der mundartlichen Ortsnamen in Bayern dient dem Erhalt eines bedeutenden kulturellen Erbes, welches unwiederbringlich verloren zu gehen droht“, stellt Finanz- und Heimatminister Albert Füracker fest. „Gerade noch rechtzeitig wird die Erfassung der Dialektformen der bayerischen Ortsnamen durch eine grundlegende Förderung des Heimatministeriums möglich“, so Prof. Ferdinand Kramer von der Kommission für bayerische Landesgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Immer weniger Menschen in Bayern kennen noch die dialektalen Formen der Ortsnamen. Das Forschungsprojekt „Erfassung der mundartlichen Form der noch nicht erfassten Ortsnamen in Bayern“ möchte dem entgegenwirken. Das Heimatministerium fördert das auf vier Jahre ausgelegte Projekt mit insgesamt knapp 800.000 Euro. Projektträger sind die Kommission für Bayerische Landesgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (KBL) unter der Leitung von Prof. Dr. Ferdinand Kramer und der Verband für Orts- und Flurnamenforschung in Bayern e. V. (VOF), dessen Vorsitzende Dr. Michael Henker und Dr. Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein in diesem Jahr stolz auf eine 100-jährige Geschichte des Verbands zurückblicken können. 2016 wurde der Verband für sein vorbildliches Engagement um das kulturelle Erbe der Flur- und Hausnamen als Gutes Praxisbeispiel in das Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Der VOF und die KBL dokumentieren in den kommenden vier Jahren in ihrem Forschungsvorhaben die mundartliche Aussprache der Ortsnamen für den Freistaat. „Als älteste lebendige Zeugen der Geschichte sind Ortsnamen zur Erkennung, Einordnung und Deutung ursprünglicher Ansiedelungen notwendig. Jeder gebraucht sie, sie sind ein Teil der Identität der Menschen im Land“, erläutert Dr. Michael Henker vom Verband für Orts- und Flurnamenforschung. Die Ortsnamen Bayerns entstammen verschiedenen Sprachen bzw. Kulturkreisen, die den Raum des heutigen Freistaats geprägt haben. Sie haben keltische, römische, germanische oder slavische Ursprünge. Nachdem sie meist über Jahrhunderte hinweg mündlich tradiert wurden, haben sie sich sprachlich verändert und begegnen uns schließlich in ihrer heutigen, seit der ersten Nennung ganz verschiedenen, Form. Wie aktuelle Forschungen zeigen, können Ortsnamen wie beispielsweise Ering in Niederbayern, Lohr in Unterfranken oder Oettingen in Schwaben ohne Berücksichtigung der dialektalen Aussprache nicht eindeutig erklärt werden.
Zahlreiche ehrenamtliche Helfer und Helferinnen werden für das Projekt in ganz Bayern im Einsatz sein. Insgesamt müssen noch ca. 36.000 Ortsnamen aufgenommen werden. Vor allem ältere Dialektsprecherinnen und Dialektsprecher werden befragt, mit ihrer Hilfe die Mundartartformen ermittelt und in einer Internet-Audiobibliothek der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dort sollen die Mitschnitte der Mundartlautung über eine interaktive Karte angehört und die lautschriftliche Transkription der Ortsnamen eingesehen werden können. Darüber hinaus werden sie in fachgerechter Verschriftung dargeboten. „Das Vorhaben, neben der fundierten wissenschaftlichen Erforschung des Themas die Ergebnisse auch umfassend digital aufzubereiten und damit in einer zeitgemäßen Form sowohl der wissenschaftlichen Fachwelt als auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, begrüße ich als Heimatminister sehr“, teilt Füracker mit.