Bayerisches Aktionsprogramm Energie
Der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, Hubert Aiwanger, MdL, hat am 27. November 2019 vor dem Bayerischen Landtag seine Regierungserklärung Bayerisches Aktionsprogramm Energie gehalten.
– Es gilt das gesprochene Wort –
Bayern geht in der Energiepolitik neue Wege. Der Ausstieg aus Kernenergie und Kohleverstromung in Bayern und Deutschland ist beschlossene Sache. Gleichzeitig wollen wir unsere Klimaschutzziele erreichen. Die gesamte Gesellschaft ist gefordert. Das heißt für uns: Die Versorgung von morgen wird nachhaltig und dezentral. Es wird mehr erneuerbare Energie aus der Heimat für die Heimat geben. Den Bau neuer Stromtrassen in Bayern hinterfragen wir kritisch. Gleichzeitig muss Strom bezahlbar und sicher bleiben.
Dieses Vorhaben gelingt nur, wenn wir alle Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Akzeptanz in der breiten Bevölkerung bildet den Kern unseres Aktionsprogramms. Ich will, dass die gesamte Gesellschaft gemeinsam an einem Strang zieht. Nur so können wir den Ausbau der erneuerbaren Energien bei uns in Bayern voranbringen und dafür sorgen, dass die Stromversorgung in hoher Qualität sichergestellt ist und bezahlbar bleibt. Ob Familien, Handwerker, mittelständische Produktionsbetriebe oder die stromintensive Industrie – alle müssen sich ihre Energieversorgung in Bayern zukünftig noch leisten können. Mein Ziel ist eine Bürger-Energiewende, die nicht spaltet, sondern von der Breite der Bevölkerung unterstützt wird.
Im Folgenden möchte ich Ihnen meinen Plan vorstellen, der hinter dem „Bayerischen Aktionsprogramm Energie“ steckt. Mit über 70 Einzelmaßnahmen packen wir tatkräftig für unsere
Heimat an.
SO VIEL ERNEUERBARE ENERGIE WIE MÖGLICH
Wir wollen so viel erneuerbare Energie in Bayern wie möglich. Dafür werden wir alle Möglichkeiten nutzen, die uns unsere Heimat bietet:
DIE KRAFT DER SONNE NUTZEN
Solarenergie ist unter den Erneuerbaren momentan die Günstigste. Deshalb schalten wir hier den Turbo zu. Wir wollen die im deutschlandweiten Vergleich besten Voraussetzungen für die Solarenergie nutzen. Ein kraftvoller Zubau von mindestens 800 MWp Photovoltaikleistung (PV-Leistung) pro Jahr ist unser Strom-Ziel bis 2022. Das bedeutet insgesamt 3,2 GWp zusätzliche Leistung durch Sonnenenergie innerhalb von vier Jahren. Einen ersten großen Durchbruch haben wir schon erreicht: die Ausweitung des Kontingents für PV-Freiflächenanlagen auf Acker- und Grünlandflächen in benachteiligten Gebieten von 30 auf 70 Projekte pro Jahr. Daran wollen wir anknüpfen. Wir setzen uns für eine weitere Erhöhung des Kontingents für Freiflächen ein. Hier haben wir auch schon viel erreicht: In der bundesweiten Oktober-Ausschreibung für große PV-Anlagen hat Bayern mit 20 Anlagen 85 % (130 MWp) der bezuschlagten Leistung gewonnen. In den beiden noch verbleibenden Ausschreibungen in 2019 hat Bayern die Chance auf weitere 21 Projekte. Unser vor kurzem angelaufene PV-Speicherprogramm konnte schon rund 6.300 Anträge mit einem PV-Zubauvolumen von insgesamt etwa 50.000 kWp verbuchen. Durch die Speicher kann die zu Hause regenerativ erzeugte Energie dann verbraucht werden, wenn man sie benötigt. Der Eigenverbrauch soll noch stärker von der EEG-Umlage befreit werden. Aber auch für die Wärme werden wir die Kraft der Sonne über Bayern nutzen. Wir verfolgen das Ziel, bis 2022 einen Zubau von mind. 250.000 m² solarthermischer Kollektorfläche zu erreichen. Das entspricht einer Dachfläche von ungefähr 35 Fußballfeldern.
MODERNISIEREN
Unser Ziel ist, den Stromertrag aus Wasserkraft um 1 zusätzliche TWh zu steigern. Wasserkraft ist zusammen mit Photovoltaik einer der Spitzenreiter bei den regenerativen Energiequellen zur Stromerzeugung in Bayern. Mit rund 4.200 Laufwasser- und Speicherwasserkraftwerken werden pro Jahr durchschnittlich rund 3,5 Mio. Haushalte in Bayern versorgt. Wasserkraft ist für Bayern von unschätzbarem Wert, denn hier kann unabhängig von Sonne und Wind, ganzjährig und rund um die Uhr zuverlässig Strom erzeugt werden. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit. Im Rahmen eines neuen Förderprogramms unterstützen wir kleinere Anlagen bei der Modernisierung und Nachrüstung und setzen uns im Bund für die Durchsetzung einer gesicherten Vergütung dieser Anlagenkategorie ein.
ALLESKÖNNER FÜR STROM UND WÄRME
Unser Ziel ist, bis 2022 aus Biomasse zusätzlich rund 1 TWh Strom zu erzeugen. Zudem soll 20 % der gesamten in Bayern erzeugten Wärme aus Biomasse stammen. Der Einsatz von Holz, Mais, Gülle und alternativen Energiepflanzen zur Energieerzeugung ist uns wichtig. Wir verdoppeln die Forschungsmittel auf rund 4 Mio. Euro pro Jahr. Bioenergie ist eine wertvolle Stütze bei den erneuerbaren Energien. Sie leistet einen bedeutenden Beitrag zur flexiblen, sicheren und klimafreundlichen Versorgung Bayerns mit Strom und Wärme. Wir machen uns deshalb für die Voraussetzungen stark, damit bayerische Biogasanlagen weiterbetrieben und zusätzliche Biomasseanalagen errichtet werden können.
GEMEINSAM MIT DEN BÜRGERINNEN UND BÜRGERN
In Bayern wollen wir die Windenergie wieder ausbauen. Eine erfolgreiche Energiewende ist nur mit der Windenergie denkbar. Sie liefert auch bei Dunkelheit und in den Wintermonaten grünen Strom und ergänzt die Photovoltaik hervorragend. Deshalb streben wir 300 neue Windenergieanlagen an. Je nach Anlagenkategorie entspricht das rund 1 GW neu installierter Leistung. Wichtig ist, dass niemand überfordert wird. Mit unserer Windkraftoffensive wollen wir gemeinschaftlich mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sowie den Kommunen geeignete Standorte finden. Mit Bürgerbeteiligungsmodellen wollen wir die Akzeptanz für Windkraft vor Ort gewinnen.
MEHR WÄRME AUS DER TIEFE UNSERER HEIMAT
Schon heute belegt Bayern bei der Nutzung der Tiefengeothermie Platz 1 in Deutschland. Darauf ruhen wir uns nicht aus. Wir wollen mehr: Unsere Heimat bietet dank guter geologischer Gegebenheiten noch großes, bisher ungenutztes Potenzial. Ein Masterplan Geothermie soll die weitere Erschließung der Tiefenwärme ermöglichen. Für Kommunen, die beim Ausbau der Wärmenetze in die Nutzung einsteigen, wollen wir in den nächsten vier Jahren mindestens 10 Mio. Euro in die Hand nehmen. Damit gehen wir einen ersten Schritt auf dem Weg zum Ziel, bis ca. 2050 ein Viertel des bayerischen Wärmeverbrauchs im Gebäudesektor über Geothermie zu decken.
VERSORGUNGSSICHERHEIT:
KWK, GASKRAFT, SPEICHER UND INTELLIGENTE NETZE
Auf die Stromversorgung in Bayern ist Verlass. Das muss auch so bleiben, wenn die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet sind und der Kohleausstieg vollzogen ist. Über den Ausbau der erneuerbaren Energien hinaus brauchen wir zusätzliche Maßnahmen:
OFFENSIVE FÜR KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG (KWK)
Wir arbeiten darauf hin, dass bis 2022 in Bayern 3.000 neue KWK-Anlagen mit insgesamt 500 MWel ans Netz gehen. Das entspricht fast der Leistung eines halben Kernkraftwerks. Die KWK ist der Stabilitätsanker der Energiewende in Bayern. Sie kann gesicherte Leistung dezentral und flexibel zur Verfügung stellen und Versorgungslücken der erneuerbaren Energien ausgleichen. Durch die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme ist die KWK hocheffizient und damit besonders klimafreundlich. Das gilt vor allem, wenn die KWK in Zukunft mit grünem Gas betrieben wird. Bayern setzt sich wie kein anderes Bundesland für die Stärkung der KWK ein und konnte in letzter Zeit schon viel erreichen. So hat sich beispielsweise der Bund auf Druck Bayerns kürzlich dazu verpflichtet, dass KWK-Anlagen bei uns in Süddeutschland einen extra Förderbonus erhalten werden, um mehr Anreize für den Bau der KWK-Anlagen zu erreichen. Die Umsetzung dieses KWK-Südbonus werden wir konsequent einfordern. Um Kommunen, Stadtwerke und kleine bzw. mittlere Unternehmen für diese Technologie zu mobilisieren, haben wir hier in Bayern bereits eine KWK-Roadshow gestartet. Bis 2023 nehmen wir außerdem 5 Mio. Euro zur Förderung innovativer KWK in die Hand.
MEHR GASKRAFT FÜR GESICHERTE LEISTUNG
Damit der zukünftig saubere Strom auch jederzeit und überall für Sie verfügbar ist, wollen wir die Gaskraft ausbauen und einen Sicherheitspuffer für einen stabilen Netzbetrieb („besondere netztechnische Betriebsmittel“) bis 2022. Wir haben auf Bundesebene erreicht, dass Sicherheitspuffer für Süddeutschland im Umfang von 1,2 GW geschaffen werden. Künftig kann auch grünes Gas genutzt werden, um emissionsfreien Strom zu erzeugen. Als Ergänzung sehen wir Pumpspeicherkraftwerke als wichtigen Garanten für Versorgungssicherheit. Wir haben erreicht, dass das Projekt Pumpspeicherkraftwerk Riedl erneut in die Liste der PCI (Vorhaben besonderen Interesses auf EU-Ebene) aufgenommen wird. Das Pumpspeicherkraftwerk Riedl könnte über mehrere Stunden rund 300 MW zur Verfügung stellen, was in diesem Zeitraum rund einem Drittel der Leistung eines Kernkraftwerks entspricht. Pumpspeicherkraftwerke sind deshalb enorm wichtig zum Ausgleich der Schwankungen bei den erneuerbaren Energien.
INTELLIGENTE NETZE STATT ÜBERDIMENSIONIERTEM NETZAUSBAU
Versorgungssicherheit setzt ein stabiles und leistungsfähiges Stromnetz voraus. Dabei darf aber die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht außer Acht gelassen werden. Wir verfolgen daher das Ziel: So wenig Netzausbau wie möglich und nur so viel, wie unbedingt nötig. Wir haben bereits die Zusicherung beim Bund erreicht, dass die Stromtrasse P44 von Altenfeld in Thüringen nach Grafenrheinfeld in Unterfranken nicht weiterverfolgt wird. Wir verfolgen den Ansatz, das bestehende Stromnetz zu optimieren; digitale und innovative Konzepte für eine effizientere Verteilung des Stroms, um den Ausbaubedarf zu senken. Bei zwingend erforderlichen Netzausbauprojekten wirken wir weiterhin auf eine substanzielle Ausweitung der Erdverkabelung hin.
SEKTOREN VERBINDEN:
SCHWANKUNGEN ERNEUERBARER ENERGIEN EFFIZIENT FÜR MOBILITÄT UND WÄRME NUTZEN
Durch die Verzahnung der Bereiche Strom, Wärmeversorgung und Mobilität werden wir Schwankungen erneuerbarer Energien besser ausgleichen und hierdurch grünen Strom auf breiterer Basis nutzbar machen. Deshalb unterstützen wir die Forschung und Entwicklung entsprechender Technologien und machen uns für faire rechtliche Rahmenbedingungen bei der Stromnutzung in allen Sektoren stark. Unser 10.000-Häuser-Programm ist heute schon eine Erfolgsgeschichte und wird weiterentwickelt. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass der Bezug von Strom im Vergleich zu fossilen Energieträgern deutlich attraktiver wird. Daher fordern wir vom Bund konkrete Maßnahmen für die Senkung der Strompreise, zum Beispiel eine deutliche Absenkung der Stromsteuer und der Übertragungsnetzentgelte.
WASSERSTOFF: DER ENERGIETRÄGER DER ZUKUNFT
Bayern wird führendes Wasserstoff-Land. Wasserstoff hat den Vorteil, dass er als Energiespeicher gut transportierbar und lagerfähig ist, sich gleichzeitig aber flexibel und emissionsfrei nutzen lässt. Wir werden Wasserstoff als Treiber der Energie- und Mobilitätswende schneller zur Anwendung bringen. Unser neu gegründetes „Zentrum Wasserstoff.Bayern“ (H2.B) ist einmalig in Deutschland, vernetzt wichtige Akteure und wird neue Technologien zur Marktreife führen. Mit insgesamt 100 Mio. Euro wollen wir Forschung und Entwicklung fördern und die Infrastruktur ausbauen. So schnell wie möglich werden wir ein flächendeckendes H2-Tankstellennetz in Bayern aufbauen. Statt bisher 16 soll es bald 100 Tankstellen in Bayern geben. Gerade im Bereich Speicher- bzw. LOHC-Technologien ist Bayern bereits heute einer der weltweit führenden Forschungsstandorte. Hier investieren wir bereits 32 Mio. Euro. Darauf bauen wir weiter auf. Unser nächster Schritt ist, Wasserstoff und die Brennstoffzelle in die Fahrzeuge von morgen zu bringen. Grünen Wasserstoff, erzeugt aus erneuerbaren Energien, werden wir in Zukunft auch importieren müssen. Mein Ziel ist es daher, die Zusammenarbeit mit Ländern zu intensivieren, die mit Hilfe unserer Technologien die Produzenten grünen Wasserstoffs von morgen sein werden.
EFFIZIENZ ERHÖHEN – ENERGIEBEDARF SENKEN
Jede Kilowattstunde, die eingespart wird, muss nicht erzeugt, transportiert und damit auch nicht bezahlt werden. Deshalb ist uns die Erhöhung der Energieeffizienz sehr wichtig. Momentan entwickelt sich auf Bundesebene in diesem Bereich eine große Dynamik. Auch wir bringen uns hier aktiv ein und lassen insbesondere im Bereich der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung nicht locker: Eine Initiative dazu haben wir bereits in den Bundesrat eingebracht. Gleichzeitig bauen wir Beratungs- und Förderangebote für das Energiesparen kraftvoll aus. Unser Ziel ist, die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern, um bis 2030 das technisch mögliche Potenzial von fast einem Viertel der Endenergie einzusparen. Doch damit nicht genug: Bei Produkten und Verfahren in Gewerbe, Handel und Dienstleistung werden wir auf erhebliche Einsparmöglichkeiten hinwirken.
WIR GRÜNDEN DIE LANDESAGENTUR FÜR ENERGIE UND KLIMASCHUTZ
Das Kabinett hat am 19.11.2019 die im Koalitionsvertrag verankerte Landesagentur für Energie und Klimaschutz beschlossen. Den Startschuss für die Gründung werde ich am 6.12.2019 in Regensburg geben. Ziel der Landesagentur ist es, die Energiewende in die Fläche zu tragen und die eingeleiteten Maßnahmen vor Ort umzusetzen. Tatkräftige Energiesparer werden Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger besser beraten und vernetzen.
BAYERNS INNOVATIONSKRAFT FÜR DIE ENERGIE DER ZUKUNFT NUTZEN
Mit Investitionen in die Energieforschung verhelfen wir innovativen Technologien und Problemlösungen zur Marktreife. Bayern investiert schon heute mehr als jedes andere Bundesland in die Energieforschung. Das wird auch so bleiben. Erst kürzlich hat ein Forscherteam aus Nürnberg und Erlangen eine neue Bestmarke für die Umwandlungseffizienz organischer PV-Module gesetzt – unterstützt vom Bayerischen Wirtschaftsministerium. Dies kann die nächste Generation für umweltfreundliche Photovoltaik weltweit werden. Wir packen hier jetzt noch stärker an: Zusätzlich zur Technologieförderung stellen wir allein für die gesamte Energieforschung in den kommenden Jahren über 100 Mio. Euro zur Verfügung und werden weitere Mittel vom Bund einfordern. Wichtig ist mir dabei, dass wir auch Forschungsprojekte kleiner und mittlerer Unternehmen unterstützen. Unser Ziel ist, neue Technologien bei Batterie, Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen im bayerischen Mittelstand schneller zur Anwendung zu bringen. Gemeinsam mit den Menschen wollen wir den Weg in eine nachhaltige Zukunft gehen, in der unsere Energie sauber, sicher und gleichzeitig bezahlbar ist. Akzeptanz bleibt dabei unser Orientierungsrahmen. Was ich Ihnen in dieser Kurzfassung präsentiert habe, sind die zentralen Eckpunkte meines energiepolitischen Programms. Wenn Sie mehr über die Einzelmaßnahmen erfahren wollen, sind Sie herzlich eingeladen, das ausführliche „Bayerische Aktionsprogramm Energie“ zu lesen.
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