Zeit zu handeln
Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL, hat am 30. Oktober 2020 vor dem Bayerischen Landtag seine Regierungserklärung Zeit zu handeln gehalten.
– Es gilt das gesprochene Wort –
II.   Klare Empfehlungen der Wissenschaft
1. Appell der Wissenschaftler: Es ist ernst
1. Kita, Schule, Handel und Wirtschaft haben Priorität
2. Die Politik ist handlungsfähig
3. Leitplanken für unser soziales Leben
4. Großzügige Hilfen für betroffene Unternehmen
IV.   Das Beste für die Menschen im Land
1. Wir haben es selbst in der Hand
2. Mit Geduld, Rücksicht und Optimismus in die kommenden Wochen
I. Die Lage ist ernst
Ich habe am Mittwoch noch vor Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz die Präsidentin des Bayerischen Landtags informiert und gebeten, für den heutigen Tag eine Sondersitzung einzuberufen.
Ich bedanke mich sehr, dass dies möglich war, denn wir sollten die nächste schwere Etappe der Pandemie gemeinsam besprechen und diskutieren. Wir müssen die Debatte – das hilft auch in der Akzeptanz der Bevölkerung – auf eine noch breitere demokratisch-parlamentarische Basis stellen.
Zu Beginn ein ganz persönlicher Dank, nicht nur an Sie, sondern an alle im Land, an all die Vernünftigen, an all die Vorsichtigen, an alle, die mithelfen, an alle, die sich die ganzen letzten Monate über vorbildlich verhalten haben. Aber auch an alle, die fragen: Warum sind wir stärker betroffen, obwohl wir uns doch eigentlich an alles gehalten haben?
Ich möchte gemeinsam mit diesem Dank aber auch Verständnis für all diejenigen zum Ausdruck bringen, die verunsichert, besorgt, gestresst, ängstlich, skeptisch und vielleicht auch aggressiv sind, weil sie um ihre Existenzen fürchten oder den Gesamtkurs hinterfragen.
Fragen und Sorgen, die in diesem Zusammenhang vorgebracht werden, sind nachvollziehbar. Es ist eine außergewöhnliche Zeit, wie wir sie alle noch nie erlebt haben, vielleicht sogar einzigartig in der jüngeren bayerischen Geschichte.
Deswegen eines klar vorab: Egal, wer hier im Landtag sitzt und arbeitet – wir werden uns nicht nur Mühe geben, sondern wir werden alles geben und nach bestem Wissen und Gewissen handeln!
Unser Ziel muss sein, unser Land zusammenzuhalten und die Menschen zusammenzuführen, um diese schwere Prüfung auch weiter gemeinschaftlich zu bestehen.
Das ist dringend nötig, denn einige haben den Ernst der Lage noch nicht verstanden. Sie ist ernst, und sie wird jeden Tag ernster.
Leider haben sich alle Prognosen bestätigt, haben sich alle Befürchtungen und alles, wovor in den letzten Wochen gewarnt wurde, bewahrheitet. Die zweite Welle ist da, und sie ist, wenn wir ehrlich sind, schlimmer als zuvor – in Europa, in Deutschland und auch in Bayern.
1. Situation in Europa
In Europa gibt es eine dramatische Entwicklung. Auf dem ganzen Kontinent wütet die Pandemie. Jeden Tag wird ein neues Land als Risikogebiet eingestuft.
Wir haben überall die gleiche Situation: Erst steigen die Infektionen, dann steigt die Zahl der Patienten in den Krankenhäusern und am Ende die Zahl der Todesfälle.
Die Lage in vielen Krankenhäusern in Europa geht bereits weit über die Grenze der Belastbarkeit hinaus. Aus Belgien etwa gibt es Berichte, wonach auch positiv getestete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern arbeiten, um überhaupt die medizinische Versorgung zu gewährleisten.
Auch in Frankreich sind die Krankenhäuser in einzelnen Regionen bereits überfüllt. Ähnlich die Situation bei unserem unmittelbaren Nachbarn Tschechien. Als wir vor einer Woche hier zur Regierungserklärung diskutiert haben, lag die 7-Tage-Inzidenz in Tschechien bei 500. Jetzt liegt sie bei über 800 und hat sich damit fast verdoppelt.
Nahezu überall wird bei entsprechend hoher Infektionszahl mit Lockdowns gearbeitet. Diese fallen aber deutlich härter aus als jene Maßnahmen, die wir in Deutschland hatten und für die nächsten vier Wochen planen – übrigens meist mit drastischen und dauerhaften Ausgangssperren wie etwa in Frankreich und Spanien.
2. Situation bei uns
Aber auch in Deutschland ist die Entwicklung besorgniserregend.
Die Kanzlerin wurde vor zwei Wochen kritisiert, als sie sagte: Wenn wir nichts ändern, könnte es sein, dass wir bis Weihnachten über 19.000 Infektionen am Tag haben. Sie sagte: „bis Weihnachten“. Gestern Rekordzahlen, heute auch wieder Rekordzahlen: Über 18.000 Infektionen, und wir haben noch nicht einmal den November erreicht.
Weite Teile Deutschlands sind Risikogebiete und in vielen Regionen ist die Pandemie zum Teil außer Kontrolle. Verschiedene Gesundheitsbehörden sagen von sich aus: „Wir können die Infektionen nicht mehr nachverfolgen. Bitte rufen Sie selbst, wenn Sie infiziert sind, andere an.“ Das zeigt: Wenn die Infektionsketten nicht mehr verfolgt werden können, ist es schwer, sie einzudämmen.
Auch Bayern wird wieder voll erfasst: Vorgestern über 3.000 und auch heute laut RKI wieder über 3.000 Neuinfektionen. Dies sind mehr, als wir als Höchststand im Frühjahr hatten, und die Entwicklung geht sprunghaft nach oben.
Zum Vergleich: Vor einer Woche hatten wir im Schnitt rund über 2.000 und vor zwei Wochen über 1.000 Neuinfektionen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, kann man sich ausrechnen, was passiert.
Die Inzidenzzahl liegt in Bayern am heutigen Tag bei 114. Das ist Platz 6 in Deutschland; aber das ist kein Anlass, die Lage weniger schwierig einzuschätzen. 114 heute, vor einer Woche 66, also fast verdoppelt.
Wenn man sich die Zahl der roten Gebiete anschaut, stellt man fest, dass diese überall in Bayern gewachsen sind. Vor einer Woche war es ein Landkreis mit über 200, jetzt sind es 5, heute weist einer sogar über 300 aus. Letzte Woche waren es 10 über 100, jetzt sind es 43 über 100. Vor einer Woche gab es 15 Landkreise oder Städte, die unter der 35er Marke lagen, also im grünen Bereich; inzwischen gibt es keinen einzigen mehr.
Das zeigt: Corona ist flächendeckend zurück und die Entwicklung verläuft überall weitgehend gleich.
Die Entwicklung erreicht nun auch in Bayern die Krankenhäuser – leider anders als noch vor einigen Wochen erhofft.
Die Zahl der belegten Betten steigt deutlich. Es gibt in einzelnen Regionen, zum Beispiel im Schwäbischen, erste Engpässe, vor denen die Mediziner vor Ort warnen. Die Zahl der mit COVID-Patienten belegten Betten in Bayern hat sich in den letzten sieben Tagen um rund 70 % erhöht.
Der Verband der Intensivmediziner in Deutschland warnt vor einer raschen Überforderung des Gesundheitssystems. Der Verband der Pflegenden weist ausdrücklich nicht nur auf die Betten hin, sondern auch auf das Personal, das bald an seine Grenzen stoßen wird.
Wenn in den Krankenhäusern die Versorgung nicht mehr gewährleistet ist, wird es gefährlich. Wir haben in Bayern im Vergleich zum Frühjahr die Zahl der Intensivbetten um rund 30 % und mehr erhöht. Trotzdem stoßen wir jetzt so langsam an die Grenzen.
Klar ist: Wenn die Kapazitäten ausgeschöpft sind und es keine Möglichkeiten mehr gibt, Patienten angemessen zu verteilen, wird die Gefahr für den einzelnen Patienten dramatisch höher: je mehr Infektionen, desto mehr Erkrankte, und je mehr Erkrankte, desto mehr am Ende leider auch Todesfälle.
Gestern waren es in Frankreich 241 Todesfälle an einem Tag, in Deutschland 89 und bei uns in Bayern 17. Das ist eine Verachtfachung innerhalb einer Woche.
Zum Glück sind die Zuwächse an Infizierten in Alten- und Pflegeheimen bislang noch nicht so hoch, was auch an der dämpfenden Wirkung der Schutzmaßnahmen dort liegt. Wenn es mit der Steigerung der Infektionszahlen aber so weitergeht, dann wird sich auch hier die Zahl dramatisch verändern.
Es geht nicht darum, Sie mit Zahlen zu langweilen, aber die Zahlen dokumentieren eines eindrucksvoll: Es ist ernst. Und eines darf nicht vergessen werden: Hinter jeder Zahl stehen unzählige Schicksale.
Corona bleibt gefährlich, und zwar genauso wie im Frühjahr. Corona nimmt zu, wandert und springt von der jüngeren in die ältere Generation hinein. Wenn wir nichts tun, hat dies dramatische Folgen.
Für alle, die sagen „Nun gut, aber nur die Todeszahl ist entscheidend“, zwei Beispiele aus den Medien mit Berichten von Menschen, die Corona hatten:
Eine 56-jährige Frau hat auf „focus.de“ gesagt: „Ich habe immer weniger Luft bekommen. Ich konnte nicht mehr schlafen. Die Angst zu ersticken war jede Sekunde da. Ich träume katastrophal. Ich war vor Jahren an Krebs erkrankt, doch die Erfahrungen der letzten Wochen sind weitaus schlimmer.“
Eine andere Frau in der „Apotheken Umschau“: „Das Atmen fiel mir auf einmal so schwer. Alles fiel auf einmal schwer. Es ist, als hätte jemand den Stecker gezogen.“
Warum diese Berichte? Corona verursacht bei vielen leichte Symptome, bei manchen schwere, dauerhafte, und bei manchen führt es auch zum Tod.
Deshalb ist es Zeit zu handeln und Zeit aufzuwachen.
II. Klare Empfehlungen der Wissenschaft
1. Appell der Wissenschaftler: Es ist ernst
Ist dies jetzt nur die Meinung der Politik oder meine persönliche? Ist es nur eine Einzelmeinung? Nein, es gibt – wie noch nie in der jüngeren Geschichte – einen dramatischen Appell der großen Wissenschaftsinstitutionen Deutschlands, sozusagen der „Crème de la Crème“ der Forschung und der Wissenschaft in unserem Land, die sich zusammengeschlossen haben.
Deutsche Forschungsgemeinschaft, Leopoldina, Fraunhofer, Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz, Helmholtz haben gemeinsam eine Erklärung verfasst. Sie alle richten an uns einen dringenden Appell, der unter der Überschrift steht: „Es ist ernst.“
Sie kommen in ihren Berechnungen zu dem Ergebnis: Wenn wir jetzt nicht handeln, kommen wir Ende November auf 90 000 Infektionen pro Tag.
Zitat: „Die Fallzahlen müssen reduziert werden, bevor die Bettenauslastung in den Kliniken kritisch wird.“ Die Forscher prognostizieren im selben Zusammenhang einen hohen Anstieg der Sterbezahl.
2. Jedes Leben zählt
Sterbezahl – manche sagen, ob im Parlament oder auch in verschiedenen Kommentaren: „Na ja, Sterben gehört zum Leben. Wir müssen uns einfach damit anfreunden und dies akzeptieren.“
Müssen wir das wirklich? Wie viele Tote soll man akzeptieren? Gibt es dafür eine bestimmte Zahl, die eine Gesellschaft akzeptiert, eine Grenze, ein Limit? Wer legt das fest? Eine Regierung oder möglicherweise sogar der Landtag? Gilt das nur für die anderen, oder ist man auch bereit, dies für die eigene Familie zu akzeptieren?
Ich bin entsetzt über eine solche Debatte. Sie stellt unsere gemeinsamen Prinzipien des Lebensschutzes auf den Kopf. Es ist ethisch nicht akzeptabel, aus Bequemlichkeit oder Hedonismus das Leben anderer zur Disposition zu stellen.
Natürlich gehört der Tod zu unserer Existenz und zu unserem Leben, das ist doch klar. Aber noch nie hat man bei einer Seuche oder Pandemie die Aufgabe negiert, zu schützen, die Ausbreitung zu verhindern und Leben zu retten.
Das ist meine ganz persönliche Überzeugung: Jedes Leben ist gleich viel wert, und jedes Leben in Bayern ist es wert, von uns gerettet zu werden!
Übrigens war auch die Strategie des „Durchseuchens“ noch nie erfolgreich; sie wurde auch noch nie angewandt. Die WHO hat dies dokumentiert. Für Deutschland bräuchten wir ungefähr, wenn wir eine sog. „Herdenimmunität“ – ein furchtbares Wort – von circa 60 % erreichen wollten, 136.000 und in Bayern 21.500 Infektionen. Und das pro Tag ein Jahr lang! Was das für die Krankenhäuser und für die allgemeine Situation bedeuten würde, brauche ich nicht zu sagen.
Deswegen ist nach allen Überlegungen, nach allen Abwägungen, Überprüfungen und der Analyse, wie es bei anderen läuft, eine Eindämmung die einzig sinnvolle und ethisch vertretbare Strategie.
3. Ziel: Kontakte reduzieren
Wie geht eindämmen? Die Kontakte müssen reduziert werden. Die harte und deutliche Empfehlung unserer Experten und Wissenschaftler lautet: Drei Viertel der Kontakte müssen reduziert werden. Dazu das Zitat der großen Forschungsgemeinschaften: „Eine Halbierung reicht gegenwärtig nicht aus, um die Zahl der Neuinfektionen pro Woche zu senken.“
Wenn wir früher vielleicht mehr gemacht hätten, müssten wir jetzt weniger tun. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Wenn wir später handeln, bedarf es noch einschneidenderer Maßnahmen.
Daher ist klar: Je früher, desto besser, und auch so lange, dass es wirkt. Keiner soll mit einem Rückfall konfrontiert werden.
Jedem muss dabei klar sein: Die Zahlen werden nächste Woche erst einmal steigen. Denn jede Maßnahme braucht ungefähr zwei Wochen, bis sie wirkt. Die Zahlen, die wir heute haben, sind leider erst die Infektionszahlen von vor zwei Wochen. Die Wahrheit ist daher, dass wir am heutigen Tag wahrscheinlich deutlich höhere Infektionszahlen haben.
Deswegen müssen wir jetzt handeln.
III. Lockdown light
1. Kita, Schule, Handel und Wirtschaft haben Priorität
Ab nächsten Montag fahren wir bis Ende November das öffentliche Leben herunter; es ist ein „Lockdown light“. Er ist deutlich milder als im Frühjahr und viel weniger als das, was im Moment in Europa passiert.
Wir haben im Unterschied zum Frühjahr ganz bewusst entschieden, bestimmte Bereiche auszunehmen. Das ist keine medizinische, sondern eine politische und gesellschaftliche Priorisierung.
Wir haben uns entschieden, Kitas, Schulen und Unis, aber auch Wirtschaft und Handel offen zu halten. Diese Bereiche sollen so lange wie möglich geöffnet bleiben.
Wenn jedoch Infektionen auftreten und wenn die Infektionslage vor Ort sich verschlechtert, dann muss man aber auch dort entsprechend handeln. Unser Ziel ist aber, Schulen und Kitas offen zu halten.
Kleine Kinder brauchen Unterricht, sonst ist manches nur schwer aufzuholen. Zudem haben bildungsfernere Familien mehr Schwierigkeiten, dass ihre Kinder den Anschluss behalten. Wir wollen keine Corona-Zweiteilung in der Schule. Schule und Kita geben wichtigen sozialen Halt, und zwar insbesondere für Familien mit einem schwierigen Umfeld.
Keiner darf sich aber täuschen lassen: In Bayern gibt es rund 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler, und wenn wir die Eltern hinzurechnen, ist dies ein sehr großes Kontaktfeld.
Wenn man also entscheidet, dass auf der einen Seite Handel und Wirtschaft – also der Erhalt von Arbeitsplätzen – und auf der anderen Seite Schule und Kita Priorität haben, dann muss man sich überlegen, wo man woanders Kontakte reduzieren kann.
Alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie die Bundesregierung haben deshalb entschieden, im Freizeitbereich anzusetzen, in dem der eine oder andere Kontakt vielleicht leichter zu reduzieren ist.
Viele berufen sich darauf, dass das RKI keinen Beleg für eine besondere Infektionsgefahr in ihrem Bereich geliefert habe.
Kann man das aber wirklich so sagen? Wenn man genau hinsieht, sagt das RKI, dass man bei 25 % der Infektionen einen eindeutigen Beleg hätte, bei 75 % aber nicht. Diese Zahl dürfte Woche für Woche eher steigen.
Wir haben nicht mehr die Situation, dass eine Hochzeit, eine Veranstaltung, ein Erntehof oder ein Schlachthof die Hauptinfektionsquelle ist, sondern es gibt mittlerweile ein sehr breites und diffuses Geschehen. Es gibt also keinen Beleg dafür, wo eine Infektion stattfindet, aber es gibt auch keinen Gegenbeleg dafür, wo sie nicht stattfindet.
Beim Infektionsgeschehen geht es um Wahrscheinlichkeiten, nicht um Gewissheiten. Deswegen müssen wir Kontakte reduzieren. Viele meinen, dass bei ihnen gar nichts passieren könne. Wenn das jedoch so wäre, hätten wir nicht diese hohen Infektionszahlen.
2. Die Politik ist handlungsfähig
Die deutsche Politik hat daher in dieser Woche eine gute und wichtige Entscheidung getroffen. Alle – die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die Bundesregierung und gestern im Wesentlichen auch der Bundestag – haben sich hinter dieses einheitliche, klare und für alle Bürgerinnen und Bürger verständliche Konzept gestellt.
Mein Respekt und Dank gilt dabei vor allem denjenigen Ländern, die noch keine so hohen Infektionszahlen verzeichnen und diesen Weg mit einschneidenden Maßnahmen trotzdem mitgehen.
Die Entscheidung erfolgte auch überparteilich – ob das die GRÜNEN in Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann an der Spitze oder SPD-geführte Länder waren. Ich nenne beispielsweise Frau Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern; dort ist die Inzidenzzahl noch sehr niedrig. Oder die FDP: In allen Landesregierungen mit einer FDP-Beteiligung – sei es in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen – trägt sie die Verantwortung in dieser schwierigen Zeit mit.
Es ist ein gutes Zeichen, dass die demokratischen Parteien in schwierigen Zeiten, bei allen Unterschiedlichkeiten im Detail und in staatspolitisch wesentlichen Auffassungen, an einem Strang ziehen.
Für Bayern gilt mein besonderer Dank den Freien Wählern. Im Übrigen danke ich auch dem Bayerischen Landtag für die Bereitschaft zur ernsthaften Diskussion.
Die Staatsregierung war seit Beginn der Pandemie handlungsfähig und sie bleibt es auch. Das ist ein wichtiges Signal für die Bürgerinnen und Bürger. Denn das Schlimmste wäre, wenn sie den Eindruck hätten, dass die Politik in Deutschland oder in Bayern nicht handlungsfähig wäre. Wir müssen den Menschen ein Vorbild sein, und zwar auch durch klare Entscheidungen und Empfehlungen.
3. Leitplanken für unser soziales Leben
Was tun wir jetzt? Anders als im Frühjahr gibt es keine Ausgangsbeschränkung oder etwa Ausgangssperren, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Es gibt – darauf haben wir uns einheitlich verständigt – vor allem im privaten Bereich Kontaktbeschränkungen, denn hier ist leider die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion relativ hoch.
Dies ist kein Vorwurf. Wenn man einen Geburtstag feiert, eine Hochzeit oder eine private Veranstaltung hat, ist es nicht leicht, so Abstand zu halten wie vielleicht hier im Landtag, bei anderen Veranstaltungen oder im Einzelhandel.
Dennoch müssen wir versuchen, hier Leitplanken zu definieren. Alle haben sich deswegen auf eine vierwöchige Kontaktbeschränkung verständigt. Erlaubt sind nur noch Treffen von zwei Hausständen mit maximal zehn Personen.
Dies gilt für alle Bereiche – für draußen und drinnen. Draußen kontrolliert dies auch die Polizei, wenn es um die Ordnungsmäßigkeit wie das Tragen der Maske geht. In der Wohnung ist das natürlich nicht der Fall; diesbezüglich ist auch keine Änderung geplant.
Ausdrücklich sei nochmals klargestellt, dass es keinen Aufruf dazu gibt, Hinweise auf Verstöße zu geben. Wir hatten gestern eine Pressekonferenz, und es war schon beachtlich, dass keiner der anwesenden Journalisten das so interpretiert hat. Ein solcher Aufruf war weder angedacht noch beabsichtigt.
Kontakte reduzieren, Veranstaltungen absagen, Freizeiteinrichtungen schließen und – was viele besonders trifft – Gastronomie und Kultur herunterfahren: Das trifft viele sehr hart. Es geht um Existenzen, es geht um Kreativität. Es geht um den eigenen Beruf und damit auch um die eigene Identität. Es trifft die Gastronomie, die Hotels, die Theater, die Kultur – es trifft viele Aktivitäten.
Hierfür ausdrücklich meinen Dank und meinen Respekt! Viele haben sich unglaublich Mühe gegeben, eine Menge investiert und oft sogar ihre gesamte Geschäftsidee umgestellt, um die Hygieneanforderungen zu erfüllen. Das ist aber nicht vergeblich: Diese Konzepte werden, wenn wir in den nächsten Wochen hoffentlich wieder eine bessere Zeit haben, vernünftig und wichtig sein.
Bei einer solch hohen Zahl an Infektionen, wie wir sie im Moment haben, ist klar, dass viele der Konzepte nicht die Wirkung haben, die man sich erhofft.
Es wird häufig argumentiert, dass es dann ein Ausweichen auf mehr private Feiern geben werde. Dagegen spricht aber, dass es jetzt die Kontaktbeschränkungen gibt – das hat übrigens auch beim ersten Mal gut funktioniert. Die umgekehrte Argumentation wäre ja sogar, man müsste mehr erlauben, um das abzudecken.
Ich glaube, die Bevölkerung macht insoweit besser mit, als die meisten glauben.
4. Großzügige Hilfen für betroffene Unternehmen
Wenn es Einschränkungen gibt, braucht es dafür auch einen Ausgleich. Der jetzt vereinbarte Ausgleich ist einzigartig: 10 Milliarden Euro von Bundesseite. Bundesfinanzminister und Bundeswirtschaftsminister haben das gestern in der Großen Koalition noch einmal dokumentiert. Für einen Monat 10 Milliarden Euro für bestimmte Branchen – so etwas gab es in Deutschland noch nie.
Dies gilt für alle Unternehmen und Solo-Selbstständigen, für alle Branchen, die betroffen sind. Das betrifft vor allem nicht nur die Gastronomie, sondern auch den ganzen Bereich der Kultur. Wer bis zu 50 Mitarbeiter hat, bekommt 75 % des Umsatzes vom November 2019. Wenn man mehr Mitarbeiter hat, wird der Ersatz so hoch sein, wie das beihilferechtlich maximal möglich ist.
Viele hatten im vergangenen November (2019) einen deutlichen höheren Umsatz, als sie ihn jetzt im November 2020 erzielen könnten. Denn es ist jetzt ohnehin weniger Platz in den Einrichtungen und viele Menschen würden aufgrund der hohen Infektionszahlen jetzt auch sowieso nicht mehr Restaurants und Kultureinrichtungen besuchen.
Jetzt muss auf Bundesseite dafür gesorgt werden – da müssen alle mithelfen, soweit Landesstellen betroffen sind, auch wir –, dass die Auszahlung schnell, unbürokratisch und zügig erfolgt.
Unter dem Gebot der Vernunft und der Sicherheit ist das daher ein sehr fairer Ausgleich. Der Bund hat hier eine wichtige und faire Entscheidung getroffen und einen Ausgleich geschaffen, mit dem viele Unternehmen gut über die kommenden vier Wochen kommen können. Wir unterstützen das von bayerischer Seite.
IV. Das Beste für die Menschen im Land
1. Wir haben es selbst in der Hand

Staatsminister Dr. Florian Herrmann, MdL (links), und Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL (rechts).
All die Maßnahmen, um die es geht – darunter viele Kleinmaßnahmen – sind genau überlegt. Jede einzelne Frage wurde genau abgewogen. Das wurde nicht leichtfertig entschieden, sondern man hat immer überlegt: Ist das vertretbar? Wie wirkt es unter dem Gesichtspunkt, auf der einen Seite Kontakte zu reduzieren und auf der anderen Seite Schule, Kita und Wirtschaft Priorität einzuräumen?
Daher sind die Maßnahmen für die nächsten Wochen als Antwort auf die steigenden Zahlen der Pandemie geeignet und verhältnismäßig.
Aber mir ist klar, dass das eine bittere Pille ist. Aber die einzige, die helfen kann.
Hoffentlich reicht die Dosis, so wie sie jetzt verabreicht wird, am Ende auch. Kurzfristig wird jetzt hart und intensiv gehandelt. Aber das ist besser, als langfristig eine Endlosschleife zu drehen. Denn „Durchseuchen“ ist keine Option.
All diejenigen, die ständig nur sagen, was sie nicht wollen, müssen irgendwann auch sagen, was sie umgekehrt wollen.
Denn nur hinzunehmen, dass sich Corona durchs Land zieht, und damit in Kauf zu nehmen, dass Menschen sterben, ist die mit Abstand schlechteste Alternative. Diese Alternative wählen wir nicht. Jedenfalls nicht die Mehrheit in Deutschland.
Einige Strategen geben übrigens die Empfehlung: Manch einer versteht es noch nicht. Manch einer ist noch nicht bereit dazu. Lasst es noch ein bisschen laufen. Wenn es schlimmer wird, haben die Menschen mehr Bilder vor Augen, dann könnt ihr doch reagieren, dann ist es verständlicher.
Das mag taktisch klug klingen, aber es ist weder ehrlich noch ethisch richtig.
Mir kommt es manchmal so vor, als ob man mit einem Auto auf eine Wand zufährt. Fünf Meter vor der Wand ist auch noch alles in Ordnung. Aber man weiß, wie es ausgeht.
Wer weiß, wie es wird, wer weiß, wie es endet, und sich nicht traut, vorher zu reagieren, der handelt schuldhaft.
Man muss das tun, wovon man überzeugt ist. Dies ist eine Frage der Haltung, aber vor allem der Verantwortung von Politik. Wir in Bayern – wie auch sonst in Deutschland – dürfen uns nicht wegducken.
Es gibt Kritik und die muss es auch geben. Aber am Ende müssen wir das tun, von dem wir überzeugt sind, dass es das Beste für die Menschen in unserem Land ist.
Einige sagen: Ist das nicht alles zu düster? Nein, aber es ist sehr ernst.
Es soll jedem klar werden, in welcher Situation wir sind. Wir müssen ehrlich sein, damit sich die Menschen darauf einstellen können. Denn wir brauchen dabei alle. Alle Verordnungen, die wir machen, und aller Ausgleich helfen nichts, wenn die Menschen nicht die innere Bereitschaft haben, dies auch mitzutragen und mitzugehen.
Gibt es Hoffnung? Natürlich, auch in dunkler Zeit. Wenn wir den November gut nutzen, wenn wir alle mitmachen, wird es im Dezember wieder heller werden.
Das Bundesgesundheitsministerium hat ja die vorsichtige optimistische Prognose gewagt, dass vielleicht um den Jahreswechsel ein erster Impfstoff verfügbar sein könnte. Wir werden es sehen.
Das alles sind Lichtblicke, dass uns dies nicht endlos beschäftigen wird. Jetzt aber liegt es an jedem Einzelnen von uns, damit umzugehen. Wir haben es selbst in der Hand.
2. Mit Geduld, Rücksicht und Optimismus in die kommenden Wochen
Die eigentliche Bewährungsprobe, die wir im Frühjahr schon bestanden zu haben dachten, kommt jetzt erst. Und es wird eher schwieriger.
Deswegen noch einmal Danke an all die Vernünftigen, die sofort wieder mitmachen.
Auch der Zuruf an den einen oder anderen Skeptiker: Es hilft jetzt wirklich, wenn wir alle zusammenhalten.
Ich bitte auch manchen, der es grundlegend anders sieht, dies nicht kaputt zu machen oder zu zerreden, sondern mitzuhelfen, dass wir in diesem Land genau den gleichen Erfolg haben wie im Frühjahr.
Die Lage ist ernster ist als im Frühjahr. Damals haben wir es gut geschafft. Ich würde mir wünschen, dass wir auch diesmal die Herausforderung bestehen.
Ich will nicht, dass wir an dieser Bewährungsprobe scheitern, und werde alles dafür tun, dass dies nicht geschieht. Wir müssen sie bestehen!
Was braucht es also? – Geduld, gute Nerven, Optimismus, vielleicht auch ein bisschen Reflexion.
Diese Woche hat mir jemand erzählt, dass ein Bekannter ihm gesagt habe, dass er einen zweiten Lockdown auf keinen Fall mehr aushalten könne. Das sei nicht mehr zu ertragen. Er – im kirchlichen Bereich in der Entwicklungspolitik engagiert – sagte zu mir: „Es gibt so viele Menschen in der Welt, denen es ohne Lockdown sehr viel schlechter geht als uns in der jetzigen Situation.“
Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, wenn wir die eigenen Klagen immer zum Maßstab eines universellen Handelns machen wollen.
Deswegen sollten Sie nicht nur rufen und schreien, nicht nur jammern oder vielleicht sogar hetzen. Sondern nehmen wir Rücksicht, indem wir nicht nur an uns selbst denken, nehmen wir Rücksicht auf andere. Zeigen wir Verantwortung füreinander.
Ich habe in dieser Woche – ich glaube, es war in einem „ARD-Spezial“ – ein Interview mit einer 99-jährigen Dame gesehen, das mich sehr bewegt hat. Sie sprach über den Schmerz, den es ihr bereitet, ihre Enkel nicht umarmen zu können, nicht einmal ihre Hand zu berühren.
Dennoch sagte diese Dame im gleichen Satz: „Das Einzige, was wir tun können, ist gelassen zu bleiben und die Situation anzunehmen. Nur dadurch, dass wir Rücksicht aufeinander nehmen, können wir Corona beeinflussen.“
Das glaube ich auch: Nur durch Rücksicht werden wir Corona stellen. Nicht durch Anbrüllen oder Schreien. Das beindruckt Corona kaum.
Wenn wir alle an einem Strang ziehen, wird Bayern Corona gut überstehen. Wenn jeder mitmacht, wenn jeder hilft, wenn auch jeder andere ermutigt, dann wird es funktionieren.
Gerade in schwierigen Zeiten hilft ein aufmunterndes Wort. Aber nicht nur von mir oder von uns hier im Parlament, sondern von jedem Einzelnen: an Freunde, an Bekannte, an Verwandte, aber auch an Arbeitskollegen.
Wer mehr Mut hat, wer mehr Optimismus hat, der darf in dieser Hinsicht den anderen anstecken. Jeder kann sich schützen, aber jeder kann auch Halt und Trost für andere spenden. Auch das ist ein Beitrag in dieser Zeit.
Deswegen: Deutschland handelt; Deutschland handelt einheitlich. Auch Bayern handelt so.
Ich bedanke mich sehr für die Möglichkeit, dies heute hier im Parlament zu sagen!
Ich freue mich auf die Debatte und will zum Schluss sagen: Ich glaube fest daran, dass wir diese Corona-Herausforderung bestehen. Bitte tun wir das. Tun wir das zusammen.
Bleiben Sie auch weiterhin gesund! Gott schütze Bayern!
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