Holetschek dringt auf umfassende Pflegereform – Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister: Wir müssen rasch handeln und brauchen einen 360-Grad-Blick
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek dringt auf eine umfassende Pflegereform. Holetschek betonte am Sonntag: „Unabhängig von der Corona-Pandemie ist die Pflege die große gesellschaftliche Herausforderung der kommenden Jahre. Es muss jetzt rasch und mutig gehandelt werden, um die pflegerische Versorgung für die Zukunft zu sichern.“
Der Minister fügte hinzu: „Eine wirksame Reform muss einen 360-Grad-Blick einnehmen. Denn wir brauchen sowohl mehr gut qualifiziertes Personal als auch Versorgungsformen, die besser auf die Menschen zugeschnitten sind. Das Ganze muss zudem finanzierbar sein.“
Holetschek forderte: „Die Bedürfnisse der Menschen müssen im Mittelpunkt stehen, nicht die Abrechnungsmöglichkeiten der Leistungserbringer. Vor allem auch die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass wir jetzt Veränderungsprozesse anstoßen müssen. Angehörige leisten einen wichtigen Beitrag für die pflegerische Versorgung und Betreuung – das ist Zeichen gelebter Familie. Aber wir dürfen die Menschen nicht alleine lassen.“
Mitte März hatte Holetschek bereits die Eckpunkte für eine zukunftsfeste Pflegereform vorgelegt. Dazu gehört ein Drei-Säulen-Modell mit pflegerischer Vollkostenversicherung, das Pflegebedürftige unterstützen soll:
– Es soll künftig drei Budgets geben, die in der Höhe gestaffelt nach Pflegegrad in Anspruch genommen werden können. Damit werden die Leistungen flexibler und einfacher handhabbar.
– Die Kosten der Behandlungspflege soll unabhängig von der Versorgungsform die Pflegeversicherung in voller Höhe übernehmen.
– Bei langen Pflegeverläufen soll die Pflegeversicherung die Kosten der Pflege und Betreuung nach einer bestimmten Zeit vollständig übernehmen.
– Die Kosten der Ausbildung in der Langzeitpflege sollen künftig allein von der Pflegeversicherung, übernommen werden. Diese refinanziert sich wiederum über einen Steuerzuschuss. Bisher zahlen die Pflegebedürftigen für die Ausbildung.
Ein weiteres Hauptziel des Holetschek-Konzeptes ist die Förderung des Pflegepersonals: Der Minister betonte mit Blick auf den Bund: „Ich freue mich, dass es auf den letzten Metern der Legislaturperiode noch geschafft wurde, die Zahlung von Tariflöhnen für Pflegeeinrichtungen verpflichtend zu machen – das entspricht einer langjährigen Forderung Bayerns.“ Sein Konzept enthält zudem diese Punkte:
– Da die Tätigkeit in der Pflege zwangsläufig mit Nacht- und Wochenenddiensten verbunden ist, gleichzeitig aber dem Allgemeinwohl dient, sollen Zuschläge für Überstunden, Wochenendarbeit und Nachtarbeit künftig stärker steuerlich begünstigt werden.
– Um den Pflegeberuf als sektorenübergreifenden Gesundheitsfachberuf zu positionieren und den Beschäftigten attraktive Aufgabengebiete zu öffnen, soll ihnen im Arbeitsalltag ein Aufgabenspektrum eröffnet werden, das den erworbenen Kompetenzen gerecht wird. Hierzu gehört auch die Möglichkeit der selbständigen Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten (z. B. im Rahmen der Schmerzbehandlung, der Behandlung von Menschen mit Demenz oder der Diabetesbehandlung).
Holetschek unterstrich: „Ich freue mich, dass sich der Bund hier bewegt hat und nun zumindest verpflichtende Modellvorhaben vorsieht – es ist nun Aufgabe der Krankenkassen und der Verbände, diese Vorgabe rasch umzusetzen.“
Der dritte Hauptpunkt des Konzepts des Ministers betrifft die Versorgung vor Ort. Die Menschen sollen sich darauf verlassen können, auch bei Pflegebedürftigkeit in ihrem gewohnten sozialen Umfeld und Teil des gesellschaftlichen Lebens bleiben zu können. Hierzu sollen die Versorgungsstrukturen vor Ort gestärkt werden:
– Die maßgeblichen Entscheidungen über die erforderliche Versorgung können nur gemeinsam von den Kommunen, den Pflegekassen und den Leistungserbringern getroffen werden. Die Entscheidungskompetenzen der örtlichen Ebene müssen daher gestärkt werden. Bei drohender pflegerischer Unterversorgung müssen die Kommunen steuernd eingreifen können.
– Um dem Wunsch der Menschen, in ihrem gewohnten Umfeld zu bleiben, Rechnung zu tragen, sollen die ambulante Versorgung und die Kurzzeitpflege weiter gestärkt werden.
Holetschek betonte: „Es muss uns klar sein, dass die Ausgaben für Pflege aufgrund des demographischen Wandels in den nächsten Jahren deutlich steigen werden. Diese Entwicklung dürfen wir nicht allein den Pflegebedürftigen über die Eigenanteile oder künftigen Generationen über Sozialversicherungsbeiträge aufbürden! Deshalb brauchen wir einen dauerhaften substantiellen Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt, der dem gesamtgesellschaftlichen Anspruch dieser Zukunftsaufgabe gerecht wird. Denn eins muss uns klar sein: Je weniger der Staat in die Pflege investiert, desto mehr wird er über die Sozialhilfe beitragen müssen.“
Der Minister fügte hinzu: „Bayern hat stets seine Bereitschaft erklärt, gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern zum Wohle der Pflegebedürftigen Reformen voranzutreiben. Die beschlossene kleine Pflegereform des Bundes ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber sie kann bloß der Anfang sein. Nur in einem solide finanzierten System werden wir die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten steigern können. Einzig mit einem attraktiven Berufsbild und attraktiven Arbeitsbedingungen werden wir ausreichend Fachkräfte finden. Und nur mit ausreichenden und gut qualifizierten Fachkräften werden wir die pflegerische Versorgung unserer Bevölkerung sicherstellen.“
Holetschek erläuterte: „Mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, ist eine Seite der Medaille – die Schaffung ausreichender Strukturen eine andere. Die Investitionen des Freistaates in die Pflegestruktur sind in den letzten Jahren stark gestiegen. So unterstützen wir zum Beispiel bereits jetzt mit über 60 Millionen Euro jährlich den Ausbau der Pflegeinfrastruktur, die den Betroffenen in den Mittelpunkt stellt.“
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