Holetschek schlägt Lauterbach pragmatische Maßnahmen gegen Arzneimittelknappheit vor – Bayerns Gesundheitsminister: Wir dürfen nichts unversucht lassen – Bayern hat rasch Maßnahmen auf den Weg gebracht
Als Reaktion auf die Arzneimittelknappheit insbesondere bei Fiebersäften für Kinder dringt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek auf rasche und pragmatische Maßnahmen der Bundesregierung. Holetschek betonte am Dienstag in München: „Wir dürfen nichts unversucht lassen, um die Versorgung mit wichtigen Medikamenten wie Fiebersäften für Kinder kurzfristig und unbürokratisch über die Weihnachtstage zu stabilisieren. Deshalb sollte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die gesetzlichen Hürden dafür senken, dass die Apotheken selbst Fiebersäfte auf Vorrat ohne Nachweis häufiger ärztlicher Verschreibungen herstellen können. Für diesen Schritt muss das Arzneimittelgesetz geändert werden, um die Herstellung sogenannter Defekturarzneimittel zu erleichtern.“
Holetschek erläuterte: „So könnten Apotheker pro Tag bis zu 100 abgabefertige Packungen Fiebersaft auf Vorrat herstellen. Das wäre eine pragmatische Maßnahme, die umgehend Erleichterung bringen würde.“
Darüber hinaus schlug Holetschek weitere wichtige Schritte vor. Holetschek sagte: „Aus Gesprächen mit Herstellern höre ich, dass auch Transport und Lieferung ein Grund für die aktuelle Verknappung ist. Wenn nötig, sollte daher die Bundeswehr bei der Lieferung und Beschaffung unterstützen. Grundsätzlich sollte die Bundesregierung prüfen, ob sie selbst Wirk- und Hilfsstoffe beschaffen kann.“
Der bayerische Gesundheitsminister forderte zudem: „Lauterbach sollte unbedingt auch prüfen, ob der Bund einen Versorgungsmangel feststellen muss. Das klingt zwar sehr bürokratisch, aber die offizielle Feststellung würde Bund und Ländern größeren Handlungsspielraum geben, auf die aktuelle Situation zu reagieren. Konkret könnten dann zum Beispiel die zuständigen Regierungen im Einzelfall gestatten, dass Arzneimittel, die nicht zum Verkehr im Bundesgebiet zugelassen oder registriert sind, befristet in den Verkehr gebracht werden.“
Holetschek erläuterte: „Die genannten Maßnahmen sind wichtig, denn das Problem geht ja über Fiebersäfte hinaus, die die Apotheken noch vergleichsweise leicht selbst herstellen können. Schwieriger wird es bei Antibiotika, die teils europaweit nur noch schwer lieferbar sind. Gerade hier ist es wichtig, dass wir Lieferketten sichern und die Beschaffung unterstützen.“
Bayern arbeitet im Rahmen der zwischen Bund und Ländern verteilten Kompetenzen mit Hochdruck daran, mit eigenen Maßnahmen die Lage zu entspannen. Holetschek erklärte: „Die Aufsichtsbehörden sollen bei der Überwachung von Herstellung von Rezepturen und Defekturen bei den Apotheken unbürokratisch vorgehen und werden deshalb vorläufig von entsprechenden Prüfungen absehen. Die Regierungen und Kreisverwaltungsbehörden werden entsprechend informiert. Das soll den Apotheken die Arbeit erleichtern und mehr Kapazitäten schaffen, die Fiebersäfte selbst anzusetzen.“
Der Minister ergänzte: „Außerdem werden wir die Apothekenbetriebsordnung mit Augenmaß großzügig auslegen, damit zum Beispiel Krankenhausapotheken die Möglichkeit haben, Arzneimittel bei Bedarf an öffentliche Apotheken unbürokratisch abzugeben. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hat uns zudem eine möglichst kurzfristige Erreichbarkeit der Bereitschaftspraxen über die 116117 für Apotheken über die Feiertage zugesichert, um Rückfragen von Apotheken bei Bereitschaftspraxen zu beschleunigen.“
Holetschek fügte hinzu: „Ein Schlüssel zum Erfolg ist auch eine möglichst enge Vernetzung zwischen Ärzten, Apotheken und Großhandel. Ziel ist, dass Ärzte Rezepte so ausstellen, dass Apotheker einen größeren Spielraum für die Abgabe von Arzneimitteln erhalten. Und die gesetzlichen Krankenkassen werden gebeten, die Abrechnungen der Apotheken innerhalb des rechtlichen Rahmens möglichst großzügig zu handhaben.“
Holetschek hatte am 15. Dezember kurzfristig die erst Ende November gegründete bayerische Pharma-Taskforce zu einer zweiten Sitzung einberufen, um über die Lage zu beraten. Der Minister bekräftigte: „Wir werden diesen Dialog weiter vorantreiben und die Maßnahmen, die wir dort erarbeiten, dem Bund vorschlagen. Ich appelliere an das Bundesgesundheitsministerium, ebenfalls auf Dialog zu setzen und alle Beteiligten insbesondere bei der Suche nach mittel- und langfristigen strukturellen Reformen einzubinden, um solche Versorgungsengpässe künftig zu vermeiden.
Der Minister kritisierte: „Leider ist das, was wir jetzt erleben, ein Versorgungsmangel mit Ansage. Zu viel Bürokratie, zu komplizierte Vergabeverfahren und ein zu großer Preisdruck machen die Arzneimittelproduktion in Deutschland seit Jahren immer unattraktiver. Was wir brauchen, sind wirksame Maßnahmen zur Stärkung des Arzneimittelstandorts Deutschland und Europa. Hier muss der Bund endlich handeln – und zwar kurz-, mittel- und langfristig. Der Bund muss zudem dringend ein Frühwarnsystem einführen. Nur so können Lieferengpässe rechtzeitig erkannt und entsprechend gehandelt werden. Zudem brauchen die Apotheken endlich definierte Spielräume beim Management von Lieferengpässen. Die Arzneimittelversorgungsverordnung der Corona-Pandemie kann hier als gutes Beispiel genutzt werden.“
Holetschek ergänzte: „Lauterbach sollte noch vor Weihnachten einen Gipfel mit Ärzteverbänden, KBV, Apothekern, Pharmagroßhändlern und pharmazeutischen Unternehmen einberufen, in dem alle Möglichkeiten zum Handeln auf den Tisch kommen! Der Freistaat und sicher andere Länder auch, werden sich gern beteiligen. Auf Landesebene haben wir eine solche Vernetzung bereits. Sie auf den gesamten Bund auszudehnen, kann hilfreich sein. Klar ist: Der Dialog ist in Berlin zuletzt zu kurz gekommen und der Bundesgesundheitsminister hat mit dem Finanzstabilisierungsgesetz viel Vertrauen in der Branche zerstört.“
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