Verpflichtende Videoaufzeichnung im Gerichtssaal in Strafsachen / Bundesjustizminister legt Referentenentwurf vor / Bayerns Justizminister Georg Eisenreich kritisiert: „Großer finanzieller Aufwand für die Länder, undurchdacht und geringer …
Erstinstanzliche Hauptverhandlungen in Strafsachen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten sollen nach dem Willen des Bundesjustizministers künftig in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Das Bundesjustizministerium hat dazu einen Referentenentwurf vorgelegt. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich kritisiert: „Schon das bisherige Angebot des Bundesjustizministers an die Länder für einen neuen Digitalpakt war in jeder Hinsicht unzureichend. Statt sich an den durch Bundesgesetze verursachten Kosten angemessen zu beteiligen, ist nun ein neues Projekt geplant, das erhebliche Mehrkosten verursacht. Allein im ersten Jahr rechnen wir im Freistaat mit rund 36 Millionen Euro Gesamtkosten für Erstausstattung und Betrieb. Das Vorhaben ist aus Sicht der bayerischen Staatsanwaltschaften und Gerichte überflüssig und undurchdacht. Zu befürchten ist zudem ein hoher Personalmehraufwand.“
In der Praxis bestehen auch erhebliche inhaltliche Kritikpunkte. Justizminister Eisenreich schließt sich den wesentlichen Punkten an:
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Beeinträchtigung von Zeugenaussagen: Die bayerische Justizpraxis geht übereinstimmend davon aus, dass sich Bildaufzeichnungen nachteilig auf die Aussagebereitschaft und das Aussageverhalten von Zeugen auswirken können. Der Minister: „Wenn Zeugen bei ihrer Aussage von Kameras gefilmt werden, fühlen sie sich möglicherweise gehemmt und eingeschüchtert. Das gilt insbesondere für Verfahren in sensiblen Bereichen, wie Sexualdelikten oder Jugendschutz. Selbst eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Expertengruppe hat von der Bildaufzeichnung abgeraten.“
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Drohender Missbrauch von Aufzeichnungen: Die Aufzeichnungen müssen allen Verfahrensbeteiligten im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden. Eisenreich: „Die Gefahr der illegalen Weiterleitung von Aufzeichnungen ist sehr hoch. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Aufzeichnungen von Einzelnen verbotswidrig weitergegeben werden. Im Bereich der Organisierten Kriminalität könnte das Bildmaterial zur Identifizierung unliebsamer Zeugen oder für Racheaktionen genutzt werden. Auch könnten die Aufzeichnungen im Internet landen, um Opferzeugen zu demütigen.“
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Fehleranfälligkeit der Wortlautprotokolle: Die vorgeschriebene Transkription der Aufzeichnung per Software könnte zu mangelhaften Wortlautprotokollen führen. Eisenreich: „Es ist fraglich, ob die Software ausreicht, um beispielsweise undeutliche Sprechweise zu erkennen.“
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Keine Klarheit über die Auswirkungen auf die Revision: Die Aufzeichnungen werden in das Revisionsverfahren eingeführt werden. Der Aufwand für den Bundesgerichtshof und die Staatsanwaltschaften, die Behauptungen in der Revisionsbegründung anhand der umfangreichen Aufzeichnungen zu überprüfen, könnte enorm werden. Eisenreich: „Die Auswirkungen werden im Entwurf kaum thematisiert.“
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Erhebliche Mehrkosten: Eisenreich: „Bei ca. 5.600 Hauptverhandlungstagen und mehr als 100.000 zu erwartenden Videostunden pro Jahr belaufen sich die prognostizierten Gesamtkosten schon im ersten Jahr auf 36,75 Millionen Euro für Erstausstattung und Betrieb.“
Das Fazit von Justizminister Eisenreich: „Großer finanzieller Aufwand für die Länder, undurchdacht und geringer Nutzen. Statt einer Entlastung der Justiz kommt nun eine neue unnötige Belastung.“
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