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Vor 80 Jahren am 29. April 1945 wurde das Konzentrationslager Dachau befreit. Zum Jahrestag unterstrichen die drei Staatsgewalten in Bayern bei einer gemeinsamen Veranstaltung im Münchner Justizpalast ihre klare Haltung gegen Antisemitismus. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: „Deutschland und die Welt erleben nach dem 7. Oktober 2023 die schlimmste Welle von Antisemitismus seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Es ist unsere Verantwortung, dass sich Jüdinnen und Juden in Bayern sicher fühlen können. Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine Daueraufgabe, der wir uns Tag für Tag stellen. Wir stehen unverbrüchlich an der Seite der jüdischen Bürgerinnen und Bürger.“
Neben Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann sprachen die Holocaust-Überlebende und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. mult. Charlotte Knobloch, und der Zeitzeuge Abba Naor, einer der letzten Überlebenden des Holocausts, der das Ghetto im litauischen Kaunas, mehrere Konzentrationslager und den Todesmarsch überlebte.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner: „Judenhass muss in unserem Land in jeder Form geächtet und bekämpft werden. Das Versprechen „Nie wieder“ haben wir nicht gehalten – nun ist es unsere demokratische Pflicht, aufzustehen, Haltung zu zeigen und ein „Immer wieder“ zu verhindern!“
Staatsminister Joachim Herrmann: „Antisemitismus ist in all seinen Formen unerträglich. Wir müssen ihm als wehrhafte Demokratie und als Staat konsequent entgegengetreten. Der Schutz unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist für uns eine historische Verantwortung, der wir uns voll und ganz verschrieben haben. Die Bayerische Polizei steht im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und anderen Stellen, um potentielle Gefahren frühzeitig in Erfahrung zu bringen und mögliche Bedrohungen zu beseitigten. Aber die Bekämpfung des Antisemitismus kann nicht allein durch die Sicherheitsbehörden gelingen. Deshalb sind Austauschformate wie heute von großer Bedeutung. Gemeinsam machen wir deutlich: Wir dulden in Bayern keinen Antisemitismus.“
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. mult. Charlotte Knobloch: „80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus leben jüdische Menschen wieder in Angst wie seit dem Holocaust nicht mehr. Von einem Leben in Normalität sind wir weiter entfernt denn je. Die heutige Veranstaltung setzt dem ein starkes Signal entgegen. Die drei Staatsgewalten stehen heute fest an der Seite der jüdischen Gemeinschaft. Und sie machen deutlich: Der Kampf gegen Judenhass geht uns alle an, er ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir alle tragen Verantwortung – denn wir alle sind der Staat und die Gesellschaft.“
Im Anschluss diskutierte eine hochkarätig besetzte Runde über den Kampf gegen Antisemitismus. Auf dem Podium: Der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München, Dr. Hans-Joachim Heßler, Karl Freller, MdL, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Landespolizeipräsident Michael Schwald sowie die deutsch-iranische Journalistin und Autorin Shahrzad Eden Osterer.
Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München, Dr. Hans-Joachim Heßler: „Die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz sind bewusste Reaktionen auf den NS-Unrechtsstaat, der sich von Anfang an die Diskriminierung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden zum Ziel gesetzt hatte. Das belegen die Präambel der Bayerischen Verfassung, die Menschenwürdegarantie, der Gleichheitssatz, die Verbürgung der Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Ächtung von Rassen- und Völkerhass. Der Kampf gegen Antisemitismus ist daher nicht nur politische Notwendigkeit, sondern auch verfassungsrechtliche Verpflichtung für alle Staatsgewalten.“
Karl Freller, MdL, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten: „Die Arbeit gegen Antisemitismus ist von entscheidender Bedeutung für unsere Gesellschaft. In den KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg leisten wir grundlegende Arbeit, indem wir die Erinnerung an die Gräueltaten der Vergangenheit wachhalten und Aufklärung fördern. Dies schafft ein Bewusstsein für die Gefahren von Vorurteilen und Hass. Doch Erinnerungsarbeit allein reicht nicht aus; es bedarf weiterer Anstrengungen in der Gesellschaft, um aktiv gegen Diskriminierung einzutreten und eine Kultur des Respekts und der Toleranz zu fördern. Nur so können wir eine Zukunft gestalten, in der Vielfalt und Respekt für alle Menschen im Mittelpunkt stehen.“
Das Schlusswort hielt der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Dr. Ludwig Spaenle. Dr. Spaenle: „In Bayern stehen Legislative, Exekutive und Judikative klar zu ihrer Verantwortung für jüdisches Leben und im Kampf gegen Antisemitismus. Für die Jüdinnen und Juden in unserem Land vermittelt der heutige Termin ein wichtiges Signal. Und mit dem Termin setzt Bayern sein konsequentes Engagement für jüdisches Leben fort, das in einer Erklärung der demokratischen Parteien des Landtags wie auch in der Gesamtkonzeption der Staatsregierung bereits dokumentiert wird. Ich bin zuversichtlich, dass sich dieses Netzwerk gemeinsam mit einer vertieften schulischen wie außerschulischen Bildungsarbeit positiv auf die Lebenssituation der Menschen jüdischen Glaubens auswirken wird. Und darüber bin ich froh.“
Seit 1995 engagiert sich Abba Naor auf vielfältige Weise als Zeitzeuge und spricht regelmäßig an Schulen, um seine Geschichte zu teilen und das Bewusstsein gerade junger Menschen für den Holocaust zu schärfen. In seiner Autobiographie „Ich sang für die SS. Mein Weg vom Ghetto zum israelischen Geheimdienst“ berichtet er über sein bewegendes Schicksal im Holocaust. Eisenreich: „Es ist mir eine große Ehre, Abba Naor im Justizpalast München begrüßen zu dürfen. Abba Naor steht für den Mut und das Durchhaltevermögen derjenigen, die trotz unvorstellbaren Grauens niemals aufgegeben haben und sich bis heute für eine bessere Zukunft einsetzen.“ Abba Naor, einer der letzten Holocaust-Überlebenden: „Ich muss mich nicht erinnern, denn ich kann nicht vergessen.“
Eisenreich: „Es ist unser Auftrag – als Vertreter der Legislative, der Exekutive und der Judikative – unsere Demokratie Tag für Tag zu schützen. Die Botschaft des heutigen Tages ist: Die drei Staatsgewalten stehen fest an der Seite der jüdischen Bürgerinnen und Bürger und kämpfen entschlossen gegen Antisemitismus. Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.“
Hintergrund:
Die bayerische Justiz geht mit einem Bündel an Maßnahmen gegen antisemitisch motivierte Straftaten vor – und hat frühzeitig schlagkräftige Ermittlungsstrukturen geschaffen. Zugleich setzt sie sich mit zahlreichen Veranstaltungen dafür ein, das Bewusstsein für das nationalsozialistische Unrecht zu schärfen.
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2018 wurden jeweils Antisemitismus-Beauftragte bei den drei Generalstaatsanwaltschaften München, Nürnberg und Bamberg eingesetzt. Ende des Jahres 2021 wurden bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften Ansprechpartner Antisemitismus etabliert.
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Zentraler Antisemitismus-Beauftragter: Seit Oktober 2021 hat die bayerische Justiz neben den drei regionalen Antisemitismus-Beauftragten in München, Nürnberg und Bamberg einen Zentralen Antisemitismus-Beauftragten mit Oberstaatsanwalt Andreas Franck, der bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelt ist.
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Im Januar 2020 wurde Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter vom bayerischen Justizminister bei der ZET zentral für ganz Bayern bestellt. Parallel dazu wurden Sonderdezernate für die Bekämpfung von Hate Speech bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften eingerichtet.
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Gemeinsam mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) wurde zum Schutz der Jüdinnen und Juden in Bayern 2021 ein Online-Meldeverfahren für antisemitisch motivierte Straftaten eingerichtet.
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Damit antisemitische Motive nicht im Dunkeln bleiben, haben die drei Antisemitismus-Beauftragten der Generalstaatsanwaltschaften bereits 2020 einen Leitfaden für Staatsanwälte entwickelt. Mit dem auch international beachteten Leitfaden können antisemitische Motive leichter entschlüsselt werden (z.B. anhand von Nazi-Jahrestagen oder Codes).
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Bayern hat als erstes Bundesland in Deutschland die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen.
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Bayern hat im Jahr 2019 eine Bundesratsinitiative gestartet mit dem Ziel, dass eine judenfeindliche Motivation im Gesetz ausdrücklich als strafschärfendes Tatmerkmal genannt wird. Die Bundesregierung hat den Vorschlag aus dem Freistaat im Jahr 2020 aufgegriffen (§ 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch).
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Bayern hat sich seit der Entkriminalisierung der sogenannten „Sympathiewerbung“ im Jahr 2002 auf Bundesebene wiederholt für eine entsprechende Änderung eingesetzt, u. a. durch Anträge im Bundesrat und Schreiben an den Bundesjustizminister. Bayern fordert eine Reform der Strafvorschrift „Bildung terroristischer Vereinigungen“ in § 129a Strafgesetzbuch (StGB). Bis zum Jahr 2002 war die Werbung für terroristische Vereinigungen ohne Einschränkungen strafbar. Bayern fordert ein erneutes Verbot der Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen.
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Neugestaltung der Weiße-Rose-Ausstellung im Münchner Justizpalast. 2019 hat Justizminister Eisenreich entschieden, diese neu zu konzeptionieren. Die Dauerausstellung „Willkür im Namen des Deutschen Volkes„, die bereits mehr als 4.000 Menschen besucht haben, führt die Zerstörung des Rechtsstaats durch die Nationalsozialisten plastisch vor Augen.
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Juristenausbildung: In der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) wurde ausdrücklich klargestellt, dass das rechtswissenschaftliche Studium und die Erste Juristische Staatsprüfung auch die ethischen Grundlagen des Rechts berücksichtigen. Für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare werden in Zusammenarbeit mit der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, dem Memorium Nürnberger Prozesse und dem Oberlandesgericht Nürnberg Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Juristen im Nationalsozialismus“ angeboten.“
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Aufarbeitung: Das renommierte Institut für Zeitgeschichte hat zudem im Auftrag von Justizminister Eisenreich die NS-Vergangenheit der Juristen und Namensgeber juristischer Standardwerke Otto Palandt und Heinrich Schönfelder untersucht und klare Belege für eine nationalsozialistische Gesinnung gefunden. Die Studie wurde im Juni 2023 vorgestellt. Eisenreich: „Namensgeber für Gesetzessammlungen und Kommentare müssen integre Persönlichkeiten sein. Deshalb war die Umbenennung der beiden juristischen Standardwerke richtig und notwendig.“
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Gedenk- und Informationstafeln an der Justizvollzugsanstalt München wurden im Juli 2020 auf Anregung der Stadt München aufgestellt. Eisenreich: „In Stadelheim wurden massenhaft Urteile und Strafen vollstreckt, die das Recht mit Füßen traten und unermessliches Leid über die Opfer und ihre Familien brachten.“
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Faces for the names: Lichtdenkmale für die Opfer des NS-Terrors wurden zunächst im Februar 2021 auf die Anstaltsmauer von Stadelheim projiziert. Ein Projekt des Vereins J.E.W.S. „Jews Engaged With Society e.V.“ mit dem Vorstandsvorsitzenden Terry Swartzberg. Im März 2023 wurde diese auch auf der Fassade des Münchner Justizpalast gezeigt. Münchner Schulen haben gemeinsam mit dem Verein J.E.W.S die Biografien von Widerstandskämpfern in dem Projekt „Faces for the names“ aufgearbeitet und im Juli 2023 im Justizpalasts präsentiert. Am 24. April 2024 gab es zudem ein Lichtdenkmal am Justizpalast für 18 Frauen im Widerstand.
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An das Schicksal jüdischer Juristinnen und Juristen der Bayerischen Justiz erinnerte eine Diskussionsrunde im März 2022 im Münchner Justizpalast. Eisenreich: „Menschen, die ihr Leben in den Dienst des Rechts gestellt hatten, wurden selbst jeglicher Rechte beraubt, verfolgt oder sogar ermordet. Nur weil sie jüdischen Glaubens waren. Die menschenverachtende Pervertierung des Rechtsstaats durch das NS-Regime mahnt uns alle, dass wir Menschenrechte, Frieden und Freiheit Tag für Tag verteidigen müssen.“
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Gedenken an jüdische Justizbeamte: In allen drei Oberlandesgerichtsbezirken sollen Ausbildungsräume nach jüdischen Justizbediensteten umbenannt werden, die im Nationalsozialismus entrechtet, verfolgt oder sogar ermordet wurden. Zuletzt wurde im Februar 2025 eine Gedenktafel für den im Konzentrationslager Auschwitz ermordeten Münchner Oberamtsrichter Dr. Joseph Schäler im Münchner Ausbildungszentrum CampusJustiz installiert.
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Justizminister Eisenreich hat am 13. Mai 2024 die Ausstellung „Protokoll eines Justizversagens – 100 Jahre Hitler-Prozess“ gemeinsam mit dem Kabarettisten Christian Springer und seiner Initiative Schulterschluss eröffnet. konnten.“
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Justizminister Eisenreich hat am 12. September 2024 die Ausstellung „Auf derselben Seite – Die Letzten der ‚Gerechten unter den Völkern'“ im Justizpalast München eröffnet.
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